Werke von Mahler, Holst, Debussy und anderen
The Sound of Simon Rattle
In der Vermarktung ihrer High-End-Produkte sind die Berliner Philharmoniker seit den Karajan-Zeiten wahrlich Weltmeister. In der klanglichen Aufbereitung aber ebenso. Auch die Nachfolger des Klangästheten am Dirigentenpult setzten die Tradition fort. Als der Brite Simon Rattle ab September 2002 die künstlerische Leitung übernahm, wollte er die Berliner Meistertruppe zu einem durch und durch europäischen Orchester formen. Waren sie, die bereits in der Weltliga spielen, das nicht schon längst? Man kannte sich seit 1987, als Rattle sein Debüt mit Mahlers 6. Symphonie gab. Weitere 57 Auftritte später war er der Chef, der einen noch transparenteren Orchesterklang favorisierte, nach noch mehr gestalterischer Perfektion des Orchester strebte. Die Musiker lieferten. Bis heute. Doch die Rattle-Ära wird 2018 enden. Mit einer stilistisch vielfältigen Kompilation hat sich das Label Warner Classics zu einer vorfristigen Hommage entschlossen. Entstanden ist ein dreiteiliges Silberscheiben-Häppchenmenü aus der klanglichen Gourmetküche. Die erforderlichen Zutaten lieferten lebendige Konzertmitschnitte (aus der Philharmonie) und Studioproduktionen, die zwischen 1999 und 2012 entstanden.
Die erste CD vereint Mahler Adagios, die auch und besonders in den langsamen Sätzen von Rattles unvergesslichen Werkdeutungen des österreichischen Grenzgängers zwischen Spätromantik und Moderne künden. An den Anfang ist, wie könnte es anders sein, das Adagietto aus der 5. Sinfonie gestellt, das sich, klar strukturiert, in erblühendem Schönklang detailreich verströmt und mit spannenden, dramatisch aufgeladenen Gefühlsaufwallungen nicht spart. Ausladend, voller schmerzvoller Intensität, kammermusikalisch aufgelichtet und enorm expressiv singt sich das Adagio der Neunten auf dem Weg ins Jenseits entsagungsvoll aus. Wo es endet, fängt die Adagio-Zehnte (in der Cooke-Version) an: Abgeklärt, einsam und transparent musiziert, durchschreitet sie mit schneidender Klangschärfe den Kosmos menschlicher Zerrissenheit. Ergreifend. Fürs Finale der 2. Sinfonie haben sich zusätzlich mit Kate Royal (Sopran), Magdalena Koená (Mezzo) und dem Rundfunkchor Berlin für das Urlicht-Solo (laut Mahler die rührende Stimme des naiven Glaubens) sowie dem Auferstehn-Hymnus Künstler der Extraklasse zu emotional bewegendem Musizieren zusammengefunden.
Die beiden anderen CDs versammeln Stücke, die vor Rhythm & Colours nur so strotzen und in denen die Philharmoniker sich mit ungehemmter Spiellust und gefühlsreicher Leichtigkeit austoben können. Da wütet Kriegsgott Mars aus Holsts Planeten-Suite vorüber, singt Debussys Faun sich wohlig räkelnd in den Nachmittagsschlaf, verbreiten zündende Tänze von Borodin, Brahms, Dvorák, Orff oder Strawinsky ihre Obsessionen, gefolgt von Sinfonischem verschiedenster Couleur. Originell der finale Rap für Mozart von Sergio Cárdenas mit den 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker und Sir Simon als Speaker.
Peter Buske