Béla Bartók

The Quiet Revolutionary

Franziska Pietsch (Violine), Maki Hayashida (Klavier)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Odradek
erschienen in: das Orchester 05/2022 , Seite 74

„Die Musik Béla Bartóks lädt vielleicht nicht dazu ein, sich sofort in sie zu verlieben. Ihre Bedingungslosigkeit schlägt einem schroff und zum Teil unwirsch entgegen“, so Franziska Pietsch im Programmheft ihrer CD The Quiet Revolutionary mit Bartóks Violinsonaten und seinen Rumänischen Volkstänzen.
Hilft diese Charakterisierung, Bartóks Musik zu verstehen? Zu dieser Frage ist es aufschlussreich, Bartóks eigenes Klavierspiel anzuhören. Er phrasierte die Rumänischen Volkstänze sehr klar, spielte die Rhythmen ganz aus der tänzerischen Bewegung heraus. Das ist weder schroff, noch muss man dem „standhalten“. Verglichen damit erscheint die Interpretation dieser Tänze durch Franziska Pietsch und Maki Hayashida ziemlich uninformiert über die Artikulation rumänischer Volksmusik. Der spezifische Rhythmus rumänischer Folklore, eine gestalthafte Phrasierung und differenzierte Klangabschattierungen fehlen.
Bei seinen musikethnologischen Forschungen entdeckte Bartók eine Musik, die noch nicht von der europäischen Kunstmusik verändert und den regelmäßigen Taktmetren sowie der Harmonielehre der klassischen Musik angepasst war. Sie gab ihm den Impuls für seine neue Musik, die mit den Traditionen des 19. Jahrhunderts brach, die aber dennoch in einer Tradition, nämlich der alten und ursprünglichen Tradition der mündlich überlieferten Volkskultur steht. Die beiden Musikerinnen haben hierzu offenbar keinen Zugang.
Zwar gehen die beiden Violinsonaten weit über die folkloristischen Einflüsse hinaus, aber dennoch erfordern auch sie ein Wissen um diese Gestaltungsweisen des Rhythmus, der Motive und der musikalischen Dramaturgie des Zusammenspiels von Violine und Klavier. Pietsch und Hayashida spielen den Anfang der 1. Sonate zerrissen, stellen einzelne Töne und Akkorde in den Raum. Das wirkt in der Tat „schroff“. Dagegen ordnen Gidon Kremer und Martha Argerich in ihrer Einspielung die Motive und Akkorde einander unter, schaffen so eine sprechende Artikulation und „erzählen“ in den Takten bis zum Pianoabschnitt eine zusammenhängende Geschichte. Ihr Bartók ist keineswegs „abweisend“ oder „kalt“, sondern voller Emotion und Expressivität.
Gleichwohl meistern Pietsch und Hayashida diese schwierige Musik technisch hervorragend. Sie sind als Duo bestens aufeinander eingespielt. Allerdings müsste die Balance zwischen den beiden Instrumenten oft feiner abgestimmt werden, was möglicherweise ein tontechnisches Problem ist. Faszinierend schöne Klänge gelingen den beiden Künstlerinnen in den leisen Abschnitten.
Insgesamt wirkt die Interpretation der lyrischeren 2. Sonate überzeugender. Hier lässt Franziska Pietsch mit ihrem weichen und manchmal ätherisch schwebenden Ton die besondere Schönheit von Bartóks Musik dem Hörer zu einem erfüllenden Erlebnis werden – ein Lichtblick in dieser insgesamt wenig inspirierten Interpretation.
Franzpeter Messmer