Beethoven, Ludwig van

The Piano Concertos / Triple Concerto

Mari Kodama (Klavier), Kolja Blacher (Violine), Johannes Moser (Violoncello), Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Ltg. Kent Nagano

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics 0300597BC
erschienen in: das Orchester 02/2015 , Seite 75

Kent Naganos Beethoven ist ein ganz jetztzeitiger, ein von Norrington und Gardiner informierter, gleichzeitig die große „symphonische Tradition“ Szélls, Leibowitz’, Gielens oder Abbados integrierender. Der Klang ist flexibel, durchhörbar und frisch (mit nicht übertriebenem Vibrato, aber gerade dadurch besonders warmem Streicherklang), der Klavieranschlag zumeist eleganter als bei großen Steinways sonst vielfach zu hören. 2006, 2010 und 2013 hatte Nagano die fünf großen Klavierkonzerte und das Tripelkonzert im Studio eingespielt (also stimmt der Titel der Box, dass es sich um sämtliche Klavierkonzerte handele, nicht).
Der orchestrale Anteil lässt wegen eines gehörigen Quantums „Kontrolliertheit“ die mögliche Exuberanz, die andere Dirigenten herausgearbeitet haben, nicht zum Zuge kommen (besonders fällt dies im c-Moll-Konzert op. 37 auf). In dieser Hinsicht ähnelt Nagano eher Abbado und Barenboim denn Harnoncourt oder Norrington. Am gelungensten sind in dieser Hinsicht die ersten beiden Konzerte – die späteren Kompositionen Beethovens geraten stärker in den Strom „modernistischer“ Interpretation, von denen es viele gibt, die hierdurch an eigener Bedeutung verlieren.
In diesem Konzept erweist sich die Japanerin Mari Kodama Naganos Zugriff nicht ganz gewachsen – manches klingt nachgerade buchstabiert, virtuos-hohl ausmusiziert, ohne die Virtuosität letztendlich in den Dienst der Musik zu stellen und ohne die Klangfarben des Klaviers (das Booklet teilt nicht mit, welchen Fabrikats) in aller gebotenen Vielfalt zu nutzen. Damit bleibt Kodama weit weniger imaginativ als die größten Interpreten der Konzerte, als Serkin, Fleisher, Richter, Argerich, Gulda, Andsnes oder Uchida.
Das heikle Tripelkonzert schließlich ist in der vorliegenden Interpretation Beethoven im Geist noch weitaus ferner als die Klavierkonzerte – keinem der Interpreten gelingt der rechte Tonfall für ein rechtes konzertantes Miteinander im Sinne der Zeit. Schon Karajan war an der Komposition grandios gescheitert – nun geschieht Gleiches bei Nagano. Gerade dieses Werk erfordert vom Dirigenten einen genauen Kurs, der sich der Musik unterordnen muss und nicht quasi neben dieser stattfinden sollte. So haben wir hier viel mehr eine Neukomposition Beethovens aus dem Geist des späten 20. Jahrhunderts denn eine wirklich der Musik angemessene Interpretation.
Der CD-Booklettext scheint für eine andere Produktion verfasst und hebt Spezifika von Beethovens Schaffen hervor, die hier nicht zum Tragen kommen – auch wird das Tripelkonzert mit keinem Wort erwähnt.
Jürgen Schaarwächter