Levina, Zara
The Piano Concertos
Maria Lettberg (Klavier), Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Ltg. Ariane Matiakh
Maria Lettberg hat bereits den finnischen Komponisten Erkki Melartin wiederentdeckt. Nach ihrer gefeierten Gesamteinspielung der Werke Alexandr Skrjabins hat sich die in Riga geborene Schwedin gemeinsam mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter der Leitung von Ariane Matiakh mit Zara Levina eine nahezu unbekannte russische Komponistin vorgenommen.
Dreißig Jahre liegen zwischen den beiden Klavierkonzerten. Das erste wurde 1945 uraufgeführt und verbindet spätromantischen Klang mit Virtuosität und existenziellen Zuspitzungen. Das zweite, ein Jahr vor ihrem Tod komponierte Klavierkonzert (1975) ist schattenhafter und mehr nach innen gekehrt. Ein erschütterndes, auch rätselhaftes Spätwerk mit einer hohen Emotionalität und sarkastischen Zügen. Die 1906 in der Ukraine geborene Zara Alexandrowna Levina war als junge Komponistin durchaus angezogen von den Postulaten des sozialistischen Realismus, der Einfachheit und Volksnähe forderte. Je älter die auch als Pianistin erfolgreiche Musikerin wurde, desto mehr distanzierte sie sich von der Linie des sowjetischen Komponistenverbandes.
Das traditionell gestaltete erste Klavierkonzert ist ganz in einem spätromantischen Tonfall gehalten. Der Beginn des ersten Satzes mit dem tiefen Streicherunisono auf rauschenden Klavierarpeggien erinnert stark an Rachmaninows zweites Klavierkonzert. Maria Lettberg behält trotz aller Kraftentfaltung eine große Transparenz in ihrem Spiel. Ihre sprechende Artikulation spiegelt sich im sensiblen Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, dem die französische Dirigentin Ariane Matiakh viele Farben entlockt.
Geheimnisvoll und ätherisch klingt der gedämpfte Streicherklang im Andante. Nur sind hier die Holzbläser mit dem Klavier nicht immer perfekt zusammen. Die feine Motorik des Allegro-Finales im Dreier-Takt, die auch unerbittlich werden kann, lässt an Sergej Prokofjew denken. Lettberg vermittelt zwischen den Extremen jede Gelegenheit zur Melodie wird von ihr genutzt.
Das einsätzige, zweite Klavierkonzert beginnt ganz gespenstisch mit einem fallenden Streichertremolo am Steg und einem bedrohlichen Crescendo, das den Klaviereinsatz vorbereitet. Ein unerbittlicher Puls lässt die Akkorde im Klavier schicksalshaft werden. Gedämpftes Blech sorgt mit scharfen Dissonanzen für eine düstere Atmosphäre, in die die Pianistin ihre spektakulären, deutlich artikulierten Läufe spannt.
Matiakh gibt dem eher rhapsodisch angelegten Satz den notwendigen Raum und lässt die Musik atmen. Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin glänzt mit feinen Streichersoli, einer ausgezeichneten Balance und faszinierenden Farbwechseln. Auch wenn plötzlich die Repetitionen im hohen Blech schneidend und stupide werden, finden die Trompeten den richtigen Ausdruck für diese groteske Zuspitzung. Maria Lettberg zeigt sich einmal mehr als tief schürfende Interpretin, die das Disparate des Satzes zusammenhält. Eine lohnende Aufnahme, die eine unbekannte russische Komponistin wieder ins Rampenlicht rückt.
Georg Rudiger