Patrick O’Malley
The Horizons
Brett Deubner (Viola), BBC Scottish Symphony Orchestra, Ltg. Andrew Constantine
Das nach seinem Violakonzert The Horizons (2022) benannte neue Album des US-amerikanischen Komponisten Patrick O’Malley (Jg. 1989) ist ein besonders geeigneter „Kandidat“, um in einer Zeitschrift vorgestellt zu werden, die das Orchester heißt. Denn der von O’Malley selbst verfasste Booklet-Text liest sich über weite Strecken wie eine Eloge auf die Orchestermusik. „Das Orchester ist ein unglaublich reiches Ensemble aus vielen verschiedenen Instrumenten, das zu einer unendlichen Vielfalt emotionaler und intellektueller Ausdrucksformen fähig ist“, wie sein umfangreicher Kanon an Werken in den Genres Klassik, Theater und Medien zeigt. Die Frage, die er sich und seinem Publikum stellt – „Was kann das Orchester, was andere Arten des Musizierens nicht können?“ – beantwortet er so: „Ich kann in dieser Hinsicht nur für mich selbst sprechen, aber zusätzlich zu den typischen Vorteilen des Orchesters (große emotionale Bandbreite, Farbvielfalt, Virtuosität usw.) habe ich es als ideales Medium entdeckt, um Parameter wie ‚Nebeneinander‘ und ‚Ausgewogenheit‘ zu erforschen.“ Oft komponiere er Stücke, so O’Malley weiter, „die verschiedene musikalische Welten aufbauen und dann sehe ich, wie sie interagieren, sich abstoßen und nebeneinander existieren. Das Orchester gibt einem sowohl die Freiheiten als auch die Einschränkungen, um diese Konzepte effektiv, wenn nicht sogar leidenschaftlich zu erforschen.“
Löst die Musik, die auf dem Album zu hören ist, O’Malleys hohe Ansprüche ein, die er an seine Orchesterwerke stellt? Wir dürfen die Frage bejahen. Das gilt vor allem für das Hauptwerk des Albums, das Violakonzert. Die (abstrakte) „Welt“ dieses Werks wird dank O’Malleys subtiler Kunst der Instrumentierung und Orchestrierung in ein geradezu pastellfarbenes Licht getaucht. Auch die Viola, sonst eher berühmt-berüchtigt für ihren erdigen und „knarzenden“ Klang, strahlt wie ein Instrument aus einer anderen Welt in die Orchester-„Landschaft“ hinein.
Die beiden anderen Orchesterwerke der CD, Obliviana (2021) und Rest and Restless (2019), schlagen andere, aber nicht minder faszinierende Töne an. Während Obliviana geprägt ist von gewaltigen, sich langsam bewegenden Akkorden, die in Chaos ausarten, handelt es sich bei Rest and Restless um eine Bearbeitung von O’Malleys Kontrabasskonzert. Wie der Titel andeutet, pendelt das Werk zwischen Phasen der Ruhe und Ruhelosigkeit. Soliloquy (2020) für Solo-Viola entstand während des ersten Lockdowns. Das Stück zeigt nach Meinung seines Komponisten „die Schönheit der Bratsche in ihrer Isolation“. Widmungsträger Brett Deubner erweist sich auch in diesem kurzen Solo-Stück, das wie ein Abgesang auf The Horizons klingt, als ein Solist von Weltrang. Burkhard Schäfer