Peteris Vasks

The Fruit of Silence

für Streichquartett/Klavierquintett, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2018
erschienen in: das Orchester 10/2018 , Seite 69

2013 komponierte Pēteris Vasks auf die fünf prägnanten Sätze von Mutter Theresas „Friedensgebet“ ein kurzes Stück für gemischten Chor a cappella, das er kurz darauf zu einer Fassung mit Klavier erweiterte, die wiederum als Grundlage für die 2014 uraufgeführte Version für gemischten Chor und Streicher diente. Die beiden nun vorliegenden instrumentalen Fassungen des Werks machen die ursprünglich wortbezogene musikalische Ausformung auch für zwei traditionsverhaftete Kammermusikbesetzungen zugänglich.
Dass diese Übertragungen tatsächlich funktionieren, ohne den etwas naiven Text vermissen zu lassen, verweist auf die generelle Art der Vertonung: Vasks arbeitet eben gerade nicht mit den Mitteln der Textausdeutung, sondern hat das Stück als eine Art Meditationsmusik angelegt, deren zentrale musikalische Eigenschaften auch in den beiden Instrumentalfassungen erhalten bleiben. Der Komponist transformiert im Grunde den spirituellen Gehalt der Worte in die Gestalt eines dicht gewobenen akkordischen Klangstroms: So wie sich im Text fünf aufeinander aufbauende Aussagen aneinanderreihen und dabei in eine Kette von Begriffen münden, die einen Weg vom Gebet über Glauben, Liebe und Gottesdienst bis hin zur Stille des inneren Friedens beschreiben, bewegt sich die Musik in ruhiger Viertelbewegung in einem Es-Dur-Raum, um sich, zwischendurch immer auf ganztaktigen Akkorden verharrend, am Ende von c-Moll in ein strahlendes C-Dur aufzuhellen.
Die Version für Klavierquintett folgt notengetreu der Fassung für Chor und Klavier: Wie dort fällt dem Tasteninstrument zunächst über 18 Takte hinweg die Aufgabe zu, den Es-Dur-Grundakkord aufzubauen, während es nach Verklingen des vierstimmigen akkordischen Streichersatzes die Schlusstonart C-Dur noch einmal durch kurzzeitiges Ausweichen nach a-Moll bestätigt.
Demgegenüber lässt sich der Komponist in der Streichquartettversion von der Gestalt des ursprünglichen Chorsatzes leiten, ergänzt diesen jedoch um eine Einleitung – in ihr wird, analog zur längeren Einleitung der Version mit Klavier, die Es-Dur-Harmonik vom Basston her aufgebaut und umschrieben – sowie um eine dem Klaviernachspiel entsprechende Schlusspassage.
Beide Instrumentalstücke sind – und dadurch unterscheiden sie sich wesentlich von Vasks’ deutlich anspruchsvolleren Werken für Streichquartett oder von seiner Klavierkammermusik – relativ einfach zu realisieren und wirken, aufgrund ihrer choralartigen Faktur die Herkunft aus der Vokalmusik verratend, extrem simpel. Die Ausgaben kommen mit großzügig gesetzten Streicherstimmen von jeweils einer Seite Umfang sowie mit ergänzender Partitur einher, die im Fall der Streichquartettversion ohne Probleme auch als Spielpartitur verwendet werden kann. Die Version mit Klavier lässt zudem, wie bei der Uraufführung geschehen, aufgrund des völligen Fehlens von Doppelgriffen in der ersten Violine eine alternative Besetzung mit Flöte zu.
Stefan Drees