Felix Mendelssohn Bartholdy
The Complete String Symphonies
Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Henry Raudales
Im Jahr 1822 waren im Haus der Mendelssohns in Berlin von Abraham und Lea Mendelssohn die legendären Sonntagsmusiken ins Leben gerufen worden. Nach den ersten Jahren hatte man 1825 in der Leipziger Straße eine hierfür noch geeignetere Immobilie mit einem Garten gefunden, in dem sich ein mehrere hundert Personen fassender Saal befand. Anfangs dachte man vornehmlich daran, dem begabten Felix ein Forum für seine musikalischen Studien bieten zu können. Seit 1819 bekam er von Carl Friedrich Zelter Unterricht in Harmonielehre und Kontrapunkt und begann bereits 1821 im Alter von zwölf Jahren mit der Komposition seiner ersten sechs Streichersymphonien.
Diese zwölf Jugendwerke, die sich in ihrer Stilistik anfangs noch ein wenig an die Kompositionstechnik Carl Philipp Emanuel Bachs anzulehnen scheinen – was nicht wunder nimmt, schätzte Zelter doch den Bach-Sohn ganz besonders und auch sein Unterricht basierte auf ihm –, hat das Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Henry Raudales nun in einer sehr ansprechenden Einspielung neu vorgelegt.
Mit größtem Elan und energiegeladen lässt Raudales das Orchester durch die jugendlich unbekümmert vorwärtstreibenden Ecksätze der Symphonien jagen, geht jedoch trotz des sehr hohen Tempos sehr differenziert in der subtilen Abstufung der dynamischen Gewichtung und in der Auffächerung der Stimmführung vor. Federnd und elegant, lebendig ausgehört in der Zeichnung der Phrasen, bekommt man etwa den Kopfsatz von Mendelssohns Symphonie Nr. 1 C-Dur zu hören.
Die Freude des Komponisten an Kontrasten und Überraschungen, etwa in der 6. Symphonie, lässt Raudales von seinem leicht und schlank spielenden Orchester mit größter Beweglichkeit herausarbeiten. In den langsamen Mittelsätzen, etwa dem der Symphonie Nr. 2, vermag Raudales eine sensibel ausgelotete Ausdruckssphäre zu evozieren, und er weiß – wie beim Mittelsatz der 3. Symphonie – voller Feinsinn dessen tänzerisch bewegter Form nachzuspüren.
In der 8. Symphonie klingt ein neuer musikalischer Geist an: der der Klassik. Im präzise durchgezeichneten Kopfsatz hört man zweifelsohne den Einfluss Mozarts. Auf der anderen Seite kommt mit den Fortschritten Mendelssohns auch mehr Individualität und Persönlichkeit ins Spiel. Dazu zählt das überzeugend dargestellte, stark motivisch-thematisch gearbeitete Adagio dieser Symphonie.
Die Symphonie Nr. 11 lässt das Format der Stilkopie weit hinter sich und klingt schon ganz nach Mendelssohn. Beeindruckend präzise nehmen sich Raudales und das Münchner Rundfunkorchester des lebendig ausgehörten Kopfsatzes wie auch des Alternierens von Soli und Tutti im nachfolgenden Scherzo an. Die 12. Symphonie erfährt durch die Interpreten im arios gehaltenen Andante eine überaus stimmige Aura und im Finalsatz eine griffige Modellierung.
Beigegeben ist dieser Einspielung noch das frühe Violinkonzert d-Moll, vom Dirigenten an der Geige solistisch kongenial und temperamentvoll dargestellt.