Joseph Haydn

The Complete Piano Concerts

Matthias Kirschnereit (Klavier), Württembergisches Kammerorchester Heilbronn

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics
erschienen in: das Orchester 04/2023 , Seite 71

Der Pianist Matthias Kirschnereit ist davon überzeugt, dass Mozart vielleicht mehr singe, aber Haydn spreche, plappere, juble und erzähle auch von ganz ernsten Dingen des Lebens. In erfrischender Weise wendet er sich nun Joseph Haydn zu. Alle neun Klavierkonzerte veröffentlicht Matthias Kirschnereit hier mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn. Eine Rarität ist zudem das Doppelkonzert in F-Dur (mit Lena Neudauer an der Violine). Selbst das Klaviertrio in G-Dur hat er als „kammermusikalisches Bonbon“ arrangieren lassen.
Haydns „Konzerte für Tasteninstrumente“ sind ursprünglich für unterschiedliche Instrumente konzipiert worden. Hier und da erlaubt sich Kirschnereit sogar, in die Partitur einzugreifen und – hoffentlich im Sinne von ­Joseph Haydn – kleine Ornamente, Tonleitern, Verzierungen und Okta­vierungen anzubringen. Gerade dies macht den besonderen Reiz dieser Neuaufnahme aus. Kirschnereits Einfühlungsvermögen und Fantasiereichtum zeigt sich besonders bei den Kadenzen. Da diese nicht im Original überliefert sind, hat sie Kirschnereit neu komponiert. Dabei versuchte er, ganz im Geiste Haydns zu arbeiten, was ihm durchaus gelungen ist.
Die Satzfolgen sind bei allen Konzerten gleich: Es gibt drei Sätze, die äußeren verlaufen schnell, der Mittelsatz gibt sich lyrisch und es sind nur Dur-Tonarten. Neben spannungsvoller Durchhörbarkeit kann man ebenso klangliche Vielfalt bewundern. Kirschnereit betont, dass er das Orchester vom Flügel aus leitet. Es gelte dabei, gemeinsam den „Spirit“ zu finden, das Geistvolle und Freie in der Musik. Vielleicht sei es so, dass man noch präziser hören müsse, wenn kein Dirigent da sei.
Matthias Kirschnereit betont nie aufdringlich den konzertanten Charakter dieser Musik. Alles klingt durchaus brillant und virtuos. Ein Höhepunkt dieser Aufnahme ist zweifellos das Klavierkonzert in D-Dur Hob. XVIII:11, das Haydn 1792 komponierte. Das dezent musizierte Larghetto stellt hier die Verbindung zum letzten Satz Rondo all’Ongharese her, dessen ungarische Klänge bei dieser Aufnahme elektrisierend wirken. Ausgesprochen gut gelungen ist ferner die Wiedergabe des Konzerts in F-Dur Hob. XVIII:3. Im langsamen Satz lässt Matthias Kirschnereit das Klavier wunderbar singen. Und das Finale begeistert bei dieser federleichten Interpretation durch den sanften und fast geheimnisvollen Wechsel von Moll nach Dur. Da trifft Kirschnereit den Geist Joseph Haydns am besten.

Alexander Walther