Dvorák, Antonín

The Cello Works

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Orfeo C 855 141 A
erschienen in: das Orchester 11/2014 , Seite 72

> Angesichts der existierenden, richtungsweisenden Einspielungen von Dvoráks Cellokonzert op. 104 – von dem erst kürzlich ein bisher unbekanntes Manuskript aufgetaucht ist – bedeutet hier jeder neue Versuch ein Wagnis. Der Cellist Daniel Müller-Schott hat jedoch mit seinem Album Dvorák – The Cello Works eine Aufnahme vorgelegt, die mit so berühmten Interpretationen wie beispielsweise derjenigen von Pierre Fournier und den Berliner Philharmonikern (George Szell, 1962) problemlos mithalten kann – sowohl in technischer Hinsicht als auch in puncto Ausdruck. Die Tatsache, dass das genannte Manuskript erst nach der Aufzeichnung gefunden wurde, tut ihrer Qualität keinen großen Abbruch.
Plausibel erscheint zudem die der CD zugrundeliegende Idee, op. 104 mit kürzeren Werken Dvoráks in Beziehung zu setzen. Denn die für den Cellisten Hanuš Wihan angefertigten Arrangements der Stücke Waldesruh op. 68 und Slawischer Tanz op. 46/8 sowie das eigens für Wihan komponierte Rondo g-Moll op. 94 stellen offensichtlich gewichtige Stationen auf Dvoráks Weg hin zu seinem großen symphonischen Cellokonzert dar.
Dass Müller-Schott die durchweg gefühlsbetonten Kompositionen selbst als überaus bewegend empfindet, wird praktisch in jedem einzelnen Takt hörbar. Im Fall des Cellokonzerts scheint er geradezu eine Geschichte zu erzählen: von der heimlichen, unglücklichen Liebe des Komponisten zu seiner Schwägerin Josefina Kaunitzová, die während seiner Arbeit am Konzert schwer erkrankte und starb und in deren Gedenken er den zweiten und dritten Satz des Konzerts umarbeitete, u.a. indem er ihr Lieblingslied Lasst mich allein in meinen Träumen geh’n op. 82/1 dort zitierte. Vor dem Hintergrund solch berührender, persönlicher Erlebnisse und Gefühle als musikalischer Inspirationsquelle wirken Müller-Schotts Glissando, seine Rubati, sein akzentuiertes Spiel und sein großes, intensives Vibrato sehr passend. Gemeinsam mit dem angenehm homogen musizierenden NDR Sinfonieorchester Hamburg unter Michael Sanderling arbeitet er die fortwährende Spannung und die extremen Kontraste, die die Musik bestimmen und die in Kombination mit ihrer eingängigen, aber niemals seichten Melodik wahrscheinlich deren so bestrickende Wirkung verursachen, sorgfältig heraus. Überzeugend übrigens auch die Aufnahme, die das Cello zwar präsent sein lässt, es aber auch nicht zu sehr in den Vordergrund rückt.
Die vier Romantischen Stücke op. 75, ursprünglich geschrieben für Violine und Klavier, die kurz und bunt und doch ebenso wenig trivial sind, interpretiert Müller-Schott zusammen mit dem Pianisten Robert
Kulek, und er legt hierbei die gleiche Feinfühligkeit an den Tag wie im ­Cellokonzert. Eine Bearbeitung des bekannten Liedes Als die alte Mutter, eines der Zigeunerlieder op. 55, im Original komponiert für den Tenor Gustav Walter, rundet das Album ab.
Dvorák – The Cello Works mag insgesamt also vielleicht nicht unbedingt neue Ansätze liefern, wird jedoch den Kompositionen voll und ganz gerecht und ist somit uneingeschränkt zu empfehlen.
Julia Hartel

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