Prokofjew/Britten

The Cello Symphonies

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Orfeo C847 121A
erschienen in: das Orchester 04/2013 , Seite 74

Lange rang Sergej Prokofjew mit seinem Cellokonzert, bis es sich endlich 1952 als Symphonisches Konzert für Cello und Orchester op. 125 etablierte. Die ersten Wehen reichen zurück bis in die 1930er Jahre, als sein Cellokonzert, damals noch als op. 58, vor Kritik und Publikum kaum Gnade fand. Erst die Interpretation durch Mstislaw Rostropowitsch 1947 brachte die Wende. Auf Anregung Rostropowitschs arbeitete Prokofjew, der sich immer stärker dem vernichtenden Vorwurf des Formalismus ausgesetzt sah, das Werk um, bis es endlich 1952 in seiner heutigen Gestalt in Moskau zum ersten Mal mit Mstislaw Rostropowitsch als Solisten und Stanislav Richter am Pult erklang.
Etwas mehr als eine Dekade trennt Benjamin Brittens Symphonie für Violoncello und Orchester op. 68 von Prokofjews Symphonischem Konzert. Auch diesmal war Rostropowitsch sowohl der Ideengeber als auch ‘Interpret der Uraufführung. Sind auf dieser CD also zwei Werke zusammengebunden, die zusammengehören? Untrennbar mit Mstislaw Rostropowitsch als Spiritus Rector verbunden? Und wie wird Daniel Müller-Schott, immerhin ein Vertreter der jüngeren Generation von Cellisten, sich gegenüber dem Erbe seines Lehrers Rostropowitsch verhalten? Spürt er dem Ideal Rostropowitschs, bei dem er einst lernte, nach oder macht er sich auf die Suche nach Neuem?
Nein, ein Zauderer und Sucher ist Daniel Müller-Schott bestimmt nicht. Kräftig zupackend steigt er in Prokofjews Cellosinfonie ein, von Ehrfurcht kaum eine Spur. Warum auch! Vom Wehen und Werden des Konzerts ist bei ihm nichts mehr zu spüren. Klar und fest zupackend gibt er den Duktus vor. Der Ton ist wohldosiert, selbst wenn sich Müller-Schott zuweilen bedenklich nah an die Rampe spielt. Aber es macht Spaß ihm zuzuhören. Galant, ohne glatt zu werden, beherrscht er die Stimmungswechsel. Wie spannend, wie lyrisch, ja wie romantisch wird da das Allegro giusto des Mittelsatzes; für mich die schönsten Momente dieser Aufnahme! Denn nie verliert er sich im bloßen, also leeren Virtuosentum. Er, der die große Geste liebt, zeichnet aber auch die Zwischentöne liebevoll nach.
Und wie sieht Müller-Schott die 1964 uraufgeführte Cello-Symphonie von Benjamin Britten? Hier zeigt sich Müller-Schott etwas zaudernder, mehr dem Suchen als dem Drängen verpflichtet. Kräftig aber gefühlvoll deckt er die verschlungenen Linien auf. Ein spannendes Hörerlebnis. Nicht zuletzt dank des fein durchhörbaren Klangs des WDR Sinfonieorchesters. Jukka-Pekka Saraste hält sein Orchester zusammen, ja schafft nicht selten geradezu eine kammermusikalische Klarheit. Mit Umsicht schafft er die Freiräume fürs Solo-Cello.
Auf den Konzertpodien hört man diese beiden Cello-Symphonien ja nur sehr selten, umso häufiger werden sie eingespielt, wenn auch kaum wie hier gemeinsam. Gehören sie also wirklich, um auf die Eingangsfrage zurückzukommen, zusammen auf eine CD oder ermüdet das viele Cello nicht doch etwas? Nein, zumindest nicht hier! Was Daniel Müller-Schott gemeinsam mit dem Kölner WDR-Ensemble geschaffen hat, ist eine klare Bereicherung. Eine Aufnahme, die man gerne mehrmals hört.
Markus Roschinski