Triosonaten von Georg Anton Benda, Johannes Gottlieb Graun, Johann Philipp Kirnberger und anderen
The Berlin Album
Ensemble Diderot: Johannes Pramsohler/ Roldán Barnabé (Violine), Gulrim Choï (Violoncello), Philippe Grisvard (Cembalo / Klavier)
Warum Rhinozeros, Zebra, Kamel und jüngst nun ein Stachelschwein auf den CD-Covern des Ensembles Diderot, das sich benannt hat nach dem Schriftsteller und Philosophen Denis Diderot (1713-1784)? Des Rätsels Lösung: Jener Diderot hat eine Encyclopédie (der diese Tierbilder entstammen) verfasst, was sehr gut passt zu dieser musikalischen Gruppierung, die sich – umfassend studierend, wissend, könnend – der Erforschung und Veröffentlichung unbekannter Werke widmet. Es muss immer wieder hervorgehoben werden, wie wichtig und verdienstvoll diese Beschäftigung mit Nicht-Mainstream-Musik ist. Sehr lesenswert übrigens das informative Beiheft.
Das Ensemble hat sich 2008 um den Geiger Johannes Pramsohler konstituiert, ein auch als Pädagoge tätiger (Wieder-)Entdeckungs-Pionier. Die erste Aufnahme entstand 2014 (seither bei Pramsohlers eigenem Label Audax Records), und bislang finden sich allerorten sehr gute Rezensionen für die Einspielungen des Ensembles. Die vorliegende gefällt ebenfalls, beeindruckt jedoch streckenweise etwas weniger als ihre Vorgängerinnen.
Fast alle Alben tragen den Namen einer Stadt; in der vorliegenden Stachelschwein-Ausgabe ist es Berlin. Es geht um Triosonaten aus der Zeit Friedrichs II., aus dem 18. Jahrhundert in Berlin – dieses Nur-eine-Epoche mag eine Ursache für das mitunter etwas Gleichförmige sein; zudem ist der Hall teilweise übersteuert.
Besonders im zweiten Teil der CD entfalten die Musiker so ganz ihre Qualitäten: bei der a-Moll-Sonate von Johann Abraham Schulz, dem Melancholiker und Sangui- niker-Trio von Johann Gottlieb Graun und der Sonate in G-Dur von (wieder ein Johann Gottlieb) Janitsch. Das Continuo nimmt hier nicht mehr zu sehr nur eine Begleitfunktion ein, keine Spur mehr von dem zuvor mitunter etwas penetranten Ostinato. Es gibt eine ideale Einheit der vier Instrumentalisten unter Wahrung individuellen Ausdrucks, mehr dynamische Entwicklung (ohnehin gelungene Terrassendynamik), höchst virtuose Geigen-Kadenzen, differenziertes Call-and-Response-Spiel, Klarheit und Geradlinigkeit, nichts Überladenes; sehr erfrischendes triolisches Gestalten und Mut zum Verlassen des Wohlklangs. Der langsame Graun-Satz ist fast schon ein bisschen Mozart.
Sehr transparent dargeboten: die Fuge der Prinzessin Anna Amalia von Preußen, geboren und gestorben in Berlin, jüngste Schwester Friedrichs des Großen, Tochter Friedrichs des I., die Flöte, Laute, Orgel und Geige spielte und selbst (Schülerin von Kirnberger) komponierte. Sehr gelungen ist der Einsatz von Nachbauten eines Silbermann-Hammerflügels und eines Mietke-Cembalos.
So finden wir hier also in 70 Minuten ein wenig hornig-markanten Rhinozeros-Sound, ein wenig kamelige Freundlichkeit, ein wenig zebraeske Scheu, ein wenig Stacheliges des Stachelschweins.
Carola Keßler