Triosonaten von Georg Anton Benda, Johannes Gottlieb Graun, Johann Philipp Kirnberger und anderen

The Berlin Album

Ensemble Diderot: Johannes Pramsohler/ Roldán Barnabé (Violine), Gulrim Choï (Violoncello), Philippe Grisvard (Cembalo / Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audax Records
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 78

Warum Rhinozeros, Zebra, Kamel und jüngst nun ein Stachel­schwein auf den CD-Covern des Ensembles Diderot, das sich be­nannt hat nach dem Schriftsteller und Philosophen Denis Diderot (1713-1784)? Des Rätsels Lösung: Jener Diderot hat eine Encyclopédie (der diese Tierbilder entstammen) verfasst, was sehr gut passt zu dieser musikalischen Gruppierung, die sich – umfassend studierend, wis­send, könnend – der Erforschung und Veröffentlichung unbekannter Werke widmet. Es muss immer wieder hervorgehoben werden, wie wichtig und verdienstvoll diese Be­schäftigung mit Nicht-Mainstream-Musik ist. Sehr lesenswert übrigens das informative Beiheft.
Das Ensemble hat sich 2008 um den Geiger Johannes Pramsohler konstituiert, ein auch als Pädagoge tätiger (Wieder-)Entdeckungs-Pio­nier. Die erste Aufnahme entstand 2014 (seither bei Pramsohlers eige­nem Label Audax Records), und bislang finden sich allerorten sehr gute Rezensionen für die Einspie­lungen des Ensembles. Die vorlie­gende gefällt ebenfalls, beeindruckt jedoch streckenweise etwas weniger als ihre Vorgängerinnen.
Fast alle Alben tragen den Na­men einer Stadt; in der vorliegen­den Stachelschwein-Ausgabe ist es Berlin. Es geht um Triosonaten aus der Zeit Friedrichs II., aus dem 18. Jahrhundert in Berlin – dieses Nur-eine-Epoche mag eine Ursache für das mitunter etwas Gleichförmi­ge sein; zudem ist der Hall teilweise übersteuert.
Besonders im zweiten Teil der CD entfalten die Musiker so ganz ihre Qualitäten: bei der a-Moll-So­nate von Johann Abraham Schulz, dem Melancholiker und Sangui- niker-Trio von Johann Gottlieb Graun und der Sonate in G-Dur von (wieder ein Johann Gottlieb) Janitsch. Das Continuo nimmt hier nicht mehr zu sehr nur eine Begleit­funktion ein, keine Spur mehr von dem zuvor mitunter etwas pene­tranten Ostinato. Es gibt eine ideale Einheit der vier Instrumentalisten unter Wahrung individuellen Aus­drucks, mehr dynamische Entwick­lung (ohnehin gelungene Terras­sendynamik), höchst virtuose Gei­gen-Kadenzen, differenziertes Call-and-Response-Spiel, Klarheit und Geradlinigkeit, nichts Überladenes; sehr erfrischendes triolisches Ge­stalten und Mut zum Verlassen des Wohlklangs. Der langsame Graun-Satz ist fast schon ein bisschen Mozart.
Sehr transparent dargeboten: die Fuge der Prinzessin Anna Ama­lia von Preußen, geboren und ge­storben in Berlin, jüngste Schwester Friedrichs des Großen, Tochter Friedrichs des I., die Flöte, Laute, Orgel und Geige spielte und selbst (Schülerin von Kirnberger) kompo­nierte. Sehr gelungen ist der Einsatz von Nachbauten eines Silbermann-Hammerflügels und eines Mietke-Cembalos.
So finden wir hier also in 70 Minuten ein wenig hornig-markan­ten Rhinozeros-Sound, ein wenig kamelige Freundlichkeit, ein wenig zebraeske Scheu, ein wenig Stache­liges des Stachelschweins.
Carola Keßler