The Art of Midori

Midori, Robert McDonald (Klavier), Natalie Tal Glaser (Harfe), New York Philharmonic Orchestra, Israel Philharmonic Orchestra, Berliner Philharmoniker, NDR Sinfonieorchester Hamburg, Ltg. Zubin Mehta/Claudio Abbado/Christoph Eschenbach/Mariss Jansons

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Classical 88875183402
erschienen in: das Orchester 07-08/2016 , Seite 76

Die bei Sony Classical erschienene CD-Kollektion mit der renommierten japanischen Geigerin Midori legt einen deutlichen Schwerpunkt auf die Kammermusik. So überzeugt vor allem ihre energische Wiedergabe der Violinsonate in Es-Dur op. 18 von Richard Strauss, wobei sie den ganz eigenen Tonfall dieses frühreifen Werks bestens trifft. Dies zeigt sich beim Hauptthema des ersten Satzes, der – an die Tondichtung Macbeth gemahnend – mächtig ausufert. Trotzdem wahrt Midori hier immer die strukturell klare Form.
Grandiose Wirkungskraft entfaltet in ihrer ausgefeilten Interpretation ferner Maurice Ravels Tzigane als atemberaubende Konzertrhapsodie. Einfühlsam begleitet wird sie von Robert McDonald am Flügel, wo sie eine geradezu elektrisierende Kadenz hervorzaubert. Hexenhaft persifliert wirkt hier die zweiteilige Form der ungarischen Rhapsodien, die sich bei dieser präzisen Wiedergabe immer mehr verfeinert.
Die andere große Kammermusik-Überraschung bietet „Encore!“ mit einer feurigen Habanera von Pablo de Sarasate, einem überaus elegant musizierten Salut d’amour op. 20 von Edward Elgar, einem kontrapunktisch vielschichtigen Marsch aus der Oper Die Liebe zu den drei Orangen op. 33 von Sergej Prokofjew oder Gabriel Faurés dynamisch differenzierte Berceuse op. 16. Bei Karol Szymanowkis Mythes op. 30 spürt man zwischen Motiven und Melodien in Quint- und Dreiklangparallelen einen geheimnisvoll-sphärenhaften Klangzauber und den Geist Scriabins. Von Alexander Scriabin erklingt außerdem Etude in Thirds op. 8 Nr. 10, wo Midori und der facettenreiche Pianist Robert McDonald ganz zusammenfinden. Hervorragend spielt Midori aber auch die berühmten 24 Capricen op. 1 des „Teufelsgeigers“ Niccolò Paganini, wo sie die dämonischen Abgründe dieser Musik bei den Intervallspannungen voll und ganz auslotet.
Bei den Instrumentalkonzerten begeistert vor allem die leidenschaftliche Wiedergabe von Max Bruchs Violinkonzert Nr. 1 in g-Moll op. 26 mit den eher zurückhaltend spielenden Berliner Philharmonikern unter der souveränen Leitung von Mariss Jansons. Das Thema des Allegro moderato wird hier sowohl energisch als auch lyrisch gut getroffen. Ein weiterer Höhepunkt dieser Kollektion ist die mit harmonischen Kühnheiten aufwartende Interpretation des Violinkonzerts in a-Moll op. 99 von Dmitri Schostakowitsch. Die Neigung des Komponisten zum Sinnfällig-Volkstümlichen verleugnet Midori dabei keineswegs. Transparent und erfrischend gelingt ihr auch die erste Sonate für Violine und Klavier in d-Moll op. 75 von Camille Saint-Saëns. Und das synkopiert herabsteigende zweite Thema des Allegro agitato besitzt zündenden Esprit und wilde Geschmeidigkeit.
Alexander Walther