Piano Quartets by Stephen Hartke, Astor Piazolla and Johannes Brahms

The Arrival Of Night

Flex Ensemble

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 14325
erschienen in: das Orchester 02/2015 , Seite 80

Das Flex Ensemble mit Kana Sugimura (Violine), Anna Szulc-Kapala (Viola), Martha Bijlsma (Cello) und Endri Nini (Klavier) wurde im Jahr 2012 gegründet. Alle vier Interpretinnen sind noch Studentinnen an der Musikhochschule in Hannover und Stipendiaten der Villa Musica-Stiftung. Sie haben schon mehrfach Preise bei internationalen Kammermusikwettbewerben in Deutschland, Polen, Italien und England gewonnen.
Die vorliegende CD wurde im März 2014 im großen Saal der Oetker-Halle in Bielefeld aufgenommen. Durch die gute Aufnahmetechnik hat das Ensemble auf The Arrival Of Night einen intensiven und gleichzeitig sehr transparenten Klang. Die CD enthält neben dem couragiert interpretierten dritten Klavierquartett in c-Moll op. 60 von Johannes Brahms zwei Werke des 20. Jahrhunderts, die besondere Aufmerksamkeit verdienen: The King of the Sun, komponiert im Jahr 1988, besteht aus sechs Klangbildern des im kalifornischen Glemdale lebenden Komponisten Stephen Hartke (*1952). Sie wurden angeregt durch Bilder von Joan Miró und sind eine gelungene Synthese aus freier Tonalität, zeitgenössischen Spieltechniken und Traditionellem, hier vertreten durch das immer wieder anklingende spätmittelalterliche Lied Le ray au soleyl. Wie bei Mirós Bildern ist auch in Hartkes Vertonung eine surrealistische Grundstimmung, in welcher Improvisatorisches mit einer genau konzipierten rhythmischen Polyfonie abwechselt. Im dritten Satz, „Dancer listening to the organ in a Gothic cathedral“, hören wir archaische Akkorde in den Außenregistern des Flügels und dazu kontrastierend die mittelalterliche Weise, con sordino von den Steichern im Stil einer gregorianischen Psalmodie gespielt. Das sechste Klangbild, welches der CD auch ihren Namen gibt, „Personages and birds rejoicing at the arrival of night“, ist mit seinen abgedämpften, obertonarmen Flügeltönen und den ostinaten Bassfiguren in Verbindung mit Fragmenten der Liedmelodie nochmals ein gutes Beispiel für die gelungene Synthese zwischen zeitgenössischen Spieltechniken und tonalen Reminiszenzen in Hartkes Komposition.
In den drei in den 1950er Jahren komponierten Tangos del Diabolo von Astor Piazzolla kommt die Vitalität und Klangflexibilität des Quartetts, hier noch unterstützt durch das Bayan, gespielt von Elsbeth Moser, hervorragend zur Geltung. Die fantasievollen Arrangements schrieb der an der Universität Makedonia im griechischen Thessaloniki lehrende Konstantinos Raptis. Wir hören Glissandi und Pizzicati der Streicher zur lyrischen Solomelodie des Akkordeons, perkussive Klangeffekte, die rhythmische Akzente in den unbändigen Bewegungsdrang des virtuosen Klavierparts setzen, und im dritten Tango, „Romance del Diabolo“, den elegischen Tangoschmelz im Dialog zwischen dem Bayan und den Streichen, wie wir ihn von Piazzolla kennen.
Das Booklet enthält biografische Angaben zum Flex Ensemble, ausführliche Angaben zu Elsbeth Moser, aber leider nichts zum zeitgenössischen Komponisten und zum Arrangeur der Tangos. Eine gute Produktion, die Lust darauf macht, mehr vom Flex Ensemble zu hören.
Christoph J. Keller