Bach, Carl Philipp Emanuel

The 1786 Charity Concert – A Revival

Christine Landshamer (Sopran), Wiebke Lehmkuhl (Alt), Lothar Odinius (Tenor), Thomas E. Bauer (Bass), Akademie für Alte Musik Berlin, RIAS Kammerchor, Ltg. Hans-Christoph Rademann

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Accentus Music ACC 20310, DVD
erschienen in: das Orchester 03/2015 , Seite 83

Der Abend ist in seiner musikhistorischen Bedeutung kaum zu unterschätzen: Am 9. April 1786, dem Palmsonntag jenes Jahres, gab in Hamburg der dortige Musikdirektor Carl Philipp Emanuel Bach ein Benefizkonzert zugunsten des „Medizinischen Armeninstituts“, bei dem er im Programm eigene Werke mit denen seines Vaters und zwei Stücken aus dem Messias von Händel verband. Er stellte damit bedeutende, ja bedeutendste Musik geistlichen Gehalts aus dem ganzen Jahrhundert in einen Zusammenhang mit seiner eigenen und beschwor die Erhabenheit als musikästhetische Kategorie an ihren wesentlichen Werken. Mit dem Credo der h-Moll-Messe des Vaters ließ er sein Publikum eine bis dato kaum bekannte Musik hören – und er stellte dem Kernstück der „katholischen Messe“ (diese Bezeichnung für Sebastian Bachs Opus summum geht auf seinen zweitältesten Sohn zurück) „Hallelujah“ die Arie „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ aus dem Messias von Händel gegenüber. Im zweiten Teil führte Carl Philipp Emanuel sein Magnificat, das von dem des Vaters hörbar inspiriert ist, und seine Motette Heilig auf, in der gleichsam Händels erhabener Chorstil vom Hamburger Bach aufgegriffen wird. Dieser zeigt darin nicht zuletzt seine eigene großartige Kunst in der polyfonen Schreibart.
Es war eine große Tat im mit einer Reihe wichtiger Veranstaltungen und Publikationen würdig begangenen Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Jahr 2014 zum 300. Geburtstag: die Wiederaufführung jenes epochalen Programms von 1786 in Hamburg. Am 15. Juni erklangen die Werke in der Reihenfolge und Fassung von damals im Berliner Konzerthaus mit dem RIAS Kammerchor und der Akademie für Alte Musik Berlin unter der Leitung von Hans-Christoph Rademann. Es ist erfreulich, dass der Mitschnitt auf DVD nun vorliegt und dieses Konzertereignis dokumentiert.
Zum einen ist dieser wertvoll, weil er u.a. Carl Philipp Emanuels nachkomponierte Einleitung zum Credo der h-Moll-Messe bringt, in deren Autograf der Bach-Sohn ja seine Spuren hinterlassen hat und die einst in Hamburg in einer in Teilen anderen Version als der heute gängigen musiziert wurde. Und er ist wertvoll, weil er die innere Stimmigkeit und ästhetische Qualität dieser erhabenen musikalischen Folge nachvollziehen lässt.
Schließlich ist er wertvoll der exzellenten Wiedergaben wegen. Rademann, der neue künstlerische Leiter der Internationalen Bachakademie Stuttgart, zeigt sich als wissender und prägend gestaltender Dirigent bei der Musik des ganzen 18. Jahrhunderts – und als Chorleiter ersten Ranges, der den RIAS Kammerchor zu bestechender Klarheit und Deutlichkeit animiert. Rademann verbindet strukturelle Transparenz mit einer lebendigen und im Ausdruck facettenreichen Spielweise. Das macht das Sehen und Hören zur schieren Freude – auch dank der vorzüglichen Solisten, wobei vor allem Christine Landshamer und Wiebke Lehmkuhl mit superbem Vortrag begeistern.
Karl Georg Berg