Rösch, Thomas (Hg.)
Text, Musik, Szene – Das Musiktheater von Carl Orff
Symposium Orff-Zentrum München 2007
Die 16 wissenschaftlichen, durchwegs verständlich formulierten Beiträge spannen einen Bogen vom Bühnenerstling des knapp 18-jährigen Orff, Gisei Das Opfer, zum stark selbstreferenziellen letzten Werk De temporum fine comoedia. Es ergibt sich so, über die sorgfältigen Einzelanalysen hinaus, ein vollständiges Bild von der Eigenart und Entwicklung dieses Komponisten, der vor allem für die Bühne schrieb und deutlich mehr Neues entwickelt hat als das Schulwerk, das seinen Namen trägt.
Beeinflusst von Debussy, Puccini und Mahler und deren Hang zur Exotik greift Orff schon als junger Autodidakt zu altertümlichen Stoffen und außereuropäischen Instrumenten. Die Begegnung mit Brecht 1924 und seinem epischen Theater hinterlässt Spuren: Orff denkt bereits in seinen Werkbüchern auf Texte Brechts an den Chor als Bühnenkollektiv, dessen Textrezitation verständlich und wirkungsvoll zu sein hat.
Sabine Henze-Döhring beschreibt Orffs Arbeitsweise während der Nazi-Diktatur in ihrem Beitrag als Fähigkeit, Kunst zu schaffen, die sich verkaufte, ohne sich dabei zu verkaufen. Für Die Kluge (Uraufführung 1943) setzt er sein eigenes Libretto aus Sprichwörtern zusammen. Mit Blick auf die theatralische Aufführung seiner Werke reduziert Orff den musikalischen Anteil immer zielstrebiger. Die für die Wirkung der Musik zentralen kompositorischen Parameter sind Rhythmus, Klang und ein von Orff speziell angewandtes Verfahren der Montage. Er hat klare Vorstellungen von der szenischen Aussage. Eine Figur wie der König in der Klugen verhält sich nicht opernhaft, indem er etwa eine Arie sänge, sondern archaisch: Er reißt sich den Mantel ab und beginnt einen wilden Tanz, so eine Szenenanweisung.
Jürgen Maehder zeichnet in seiner Untersuchung der Antikenopern (Antigonae, Oedipus der Tyrann und Prometheus) die Entwicklung von Orffs Schlagzeugorchester nach. Hier wird plausibel, wie Orff deklamierte Sprache und instrumentale Begleitung klanglich und strukturell aufeinander abstimmt. Maehder sieht den Widerspruch zwischen asiatischem und afrikanischem Instrumentarium und griechischen Dramen gelöst: Gerade die Globalität der Klänge spiegele die Allgemeingültigkeit der verhandelten Konflikte.
Die Qualitäten des populärsten Werks von Carl Orff, der Chor O Fortuna aus Carmina Burana, hebt Bernd Edelmann hervor, indem er die Rezeptionsabwege in der Werbung pointiert analysiert.
Dieses hochwertig hergestellte Buch hält, was es verspricht: Es zeigt die vom Bühnenkomponisten Carl Orff bewusst gestaltete theatralische Verbindung von Text, Musik und Szene, in der die Musik zugunsten der Gesamtwirkung in ihren Mitteln streng dosiert ist.
Iris Winkler