Mayr, Johann Simon

Telemaco

Siri Karoline Thornhill/Andrea Lauren Brown/Jaewon Yun/Katharina Ruckgaber (Sopran), Markus Schäfer (Tenor), Niklas Mallmann (Bass), Mitglieder des Chors der Bayerischen Staatsoper, Simon Mayr Chorus, Concerto de Bassus, Ltg. Franz Hauk

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Naxos 8.660388-89
erschienen in: das Orchester 09/2017 , Seite 72

Telemachs Liebesgeschichten waren seit Beginn des 18. Jahrhunderts eine beliebte Vorlage für Opernkompositionen, an prominentester Stelle seine Begegnung mit Calypso. Über das Jahrhundert hinweg wurden zahlreiche Opern über diesen Stoff verfasst und aufgeführt, sodass die Uraufführung des Telemaco von Johann Simon Mayr 1797 nach dem Libretto von Antonio Simeone Sografi keine Überraschung darstellte.
Gerade die aktuellen Opernstoffe aus dem nach-revolutionären Paris hatten dem Theater La Fenice in Venedig einige Vorlagen geliefert. Von der Pariser Operndramaturgie ließ Mayr sich hinsichtlich der Ausrichtung des antiken mythologischen Opernstoffs, des verwendeten Lokalkolorits und der Einbindung von Chören, instrumentalen Zwischenspielen und Tänzen in die Opernhandlung anregen. Seine Oper kann aber auch als Dokument der durch Napoleon über Europa verbreiteten revolutionären Unruhe gelesen werden: Von Männerchören gesungene Märsche, wilde, an der Mannheimer Schule orientierte orchestrale Darstellungen von Unwetter und Schiffbruch hört man deutlich heraus. Krieg und patriotische Ausbrüche sind im venezianischen Karneval des Jahres 1797 offenbar das beherrschende Thema. Telemaco wurde während der Karnevals-Stagione am Fenice vom 11. Januar bis 9. Februar fast täglich gegeben.
Bei der Sängerbesetzung hatten die hohen Stimmen noch eine Vorzugsstellung, was sich auch in Telemaco zeigt. Lediglich Mentor und ein Priester des Bacchus sind mit tiefen Stimmen besetzt. In Venedig wurden am Ende des 18. Jahrhunderts durchaus Kastraten auf der Opernbühne gefeiert und verehrt, diese Praxis näherte sich aber ihrem Ende, schon daran erkennbar, dass Sängerinnen Hosenrollen übernahmen. So weist der Theaterzettel der Uraufführung des Telemaco noch den Kastraten Girolamo Crescentini als Darsteller Telemachs aus. Der Dirigent der vorliegenden Aufnahme Franz Hauk hat die Rolle modernisierend mit der Sopranistin Siri Thornhill besetzt.
Überhaupt wird in diesem 2015 entstandenen konzertanten Zusammenschnitt aus Neuburg an der Donau eine historisierende Aufführungspraxis auf modernen Instrumenten angewendet. Die rasenden Passagen in den Unwetterszenen fallen nicht so fein ziseliert aus, wie es auf historischen Instrumenten gelingen könnte. Dennoch zeigt das Münchner Ensemble „Concerto de Bassus“ eine hohe Fähigkeit in der Klang- und Stilnuancierung, die der Vielfältigkeit der Oper gerecht wird. Zu­rückhaltend zu begleitende Secco-Rezitative, an Mozart erinnernde Passagen und Tableaus, die eine die frühe romantische Oper vorwegnehmende üppige Klanglichkeit im Sinne Meyerbeers erfordern, wechseln einander ab. Die sängerischen Leistungen befinden sich auf hohem Niveau, einzig Markus Schäfer als Mentor fällt in den Arien durch einen etwas engen Ton in der Höhe und kleinere Intonationsschwächen etwas ab.
Karim Hassan

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