Mandel, Birgit (Hg.)

Teilhabeorientierte Kulturvermittlung

Diskurse und Konzepte für eine Neuausrichtung des öffentlich geförderten Kulturlebens

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Transcript, Bielefeld 2016
erschienen in: das Orchester 06/2017 , Seite 58

Mit dem Abschlussbericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“ gelangte die Kulturelle Bildung 2007 auf die politische Agenda. Dicht gefolgt von der Kulturvermittlung halten sich nur wenige weitere Themen so lange ganz oben im Bewusstsein der politischen Entscheider. Die renommierte Kulturwissenschaftlerin Birgit Mandel fasst als Herausgeberin dieses Buchs zur Kulturvermittlung die wichtigsten aktuellen Strömungen zusammen. In ihrem einleitenden Beitrag geht es darum, wie öffentliche Kulturangebote noch besser als bisher nicht nur das klassische Bildungsbürgertum, sondern auch Menschen aus bisher unterrepräsentierten Zielgruppen erreichen können. Dies würde vielen Kulturinstitutionen eine substanzielle Veränderung abverlangen. Max Fuchs weist darauf hin, dass sich Kultureinrichtungen zur Erfüllung ihres Bildungs- und Kulturauftrags immer wieder neu erfinden müssen, indem sie gesellschaftliche Veränderungen aufnehmen und in ihrer Vermittlungsarbeit darauf reagieren.
Im zweiten Abschnitt des Buchs wird auf die Perspektiven der Nicht-Besucher eingegangen, also auf die Motive der Menschen, die in der Regel klassischen Kulturangeboten fernbleiben. Thomas Renz ermittelt wesentliche Hürden, die Menschen vom Kulturbesuch abhalten. Die Entscheidung, hier substanziell durch gezielte Ansprache neuer Zielgruppen etwas zu ändern, könne aber nicht die Marketingabteilung, sondern nur die Leitung eines Kulturbetriebs treffen. Diese wiederum muss dafür das Selbstverständnis der Einrichtung weiterentwickeln. Susanne Keuchel steuert Erkenntnisse des 2. Jugend-KulturBarometers bei und weist deutlich darauf hin, dass erfolgreiche Kulturvermittlung nur in Zusammenarbeit zwischen Kultureinrichtungen und Schulen nachhaltig und erfolgreich sein kann. Die weiteren Beiträge in diesem Kapitel behandeln die Frage, wie Menschen mit Migrationshintergrund oder sehr geringen Einkünften verstärkt als Kulturpublikum angesprochen werden können. Auch geht es darum, wie ehrenamtliche Strukturen hier einzubinden sind. Ein weiterer (englischsprachiger) Artikel befasst sich mit 40 Jahren Audience Development in Großbritannien.
Der dritte Abschnitt behandelt im Wesentlichen die Moderation kultureller Beteiligungsprozesse, die von Profis durchgeführt werden muss. Praxisbeispiele u.a. des Deutschen Theaters, der Komischen Oper Berlin, der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen oder aus dem Bereich des Kindertheaters veranschaulichen, wie einzelne Einrichtungen die neuen Herausforderungen bereits angehen. Der vierte Abschnitt schließlich befasst sich vorrangig mit der Frage, wie Kultureinrichtungen auch in einzelnen Stadtteilen wirken und Identität stiften können.
Leiter von Kultureinrichtungen jeder Art, Kulturvermittler, aber auch Kulturpolitiker finden in diesem Buch zahlreiche Anregungen, den Wirkungsgrad öffentlicher Finanzierung und damit auch die  Teilhabegerechtigkeit zu erhöhen.
Gerald Mertens