Andreas Mendel

Technische Grundlagen der Oboe

Luftführung & Stütze, Atem & Klang, Doppelzunge, Fingertechnik, Ansatztraining

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Konikos, Linz 2021
erschienen in: das Orchester 11/2021 , Seite 73

Im Klang liegt sicherlich am meisten Seele beim Musizieren. Dieser Klang wird bei Blasinstrumenten von der Atmung getragen. Störungen sorgen hier naturgemäß für massive Probleme, insbesondere bei einer langen Berufsmusikerlaufbahn. Gerade die Oboe hat diesbezüglich unter den Blasinstrumenten nicht den besten Ruf, ist doch der für die Tonerzeugung notwendige Minimaldruck signifikant höher als bei jedem anderen Blasinstrument.
So wurde in früheren Zeiten gerne brachial an einer sixpackreifen Muskulatur gearbeitet, die einem entspannten Spielen nicht gerade förderlich ist. Gerade anstrengende Sololiteratur (Strauss-Konzert, Schumann-Romanzen) oder lange und anstrengende Opern (Wagner) forderten ihren Preis; und manch ein Oboist konnte mit zunehmendem Alter den Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Inzwischen ist viel passiert. „Ganzheitlichkeit“ ist das neue Schlagwort, und eine eher natürliche Atmung steht im Fokus jeder zeitgemäßen Bläserausbildung.
Andreas Mendel ist seit zwölf Jahren Solooboist beim Bruckner Orchester in Linz und hat bereits mehrere Publikationen zum Thema Oboentechnik verfasst. In seinem neuen Werk enthält die Hälfte des 64-seitigen Heftes Interviews mit bekannten Größen aus der Oboenszene (Albrecht Mayer, Christian Wetzel und andere). Die Fragen sind bei allen sieben Interviewpartnern gleich: Was ist die Grundüberzeugung von Stütze und Luftführung, sozusagen die „Philosophie“, die beim Spielen und Unterrichten leitet? Gibt es ein Bild, das geeignet wäre, die Stütze/Luftführung z. B. für einen Schüler zu beschreiben? Welches ist die wichtigste Übung? Hat sich die Vorstellung von Stütze im Laufe des Berufslebens bzw. der vergangenen 20 bis 30 Jahre verändert? Und gibt es einen bestimmten „Fehler“, den man unbedingt vermeiden sollte?
Die Antworten sind sich inhaltlich verblüffend ähnlich, auch wenn die Wege und mitgelieferten praktischen Übungen durchaus unterschiedlich sind. Dass verschiedene physiologische Voraussetzungen zu unterschiedlichen Herangehensweisen führen, wird mit Grafiken erläutert. Ein Interview mit der Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin Isa Terwiesche rundet diesen Teil ab.
In der ersten Hälfte des Hefts sind neben grundsätzlichen Erklärungen zur Finger- und Ansatztechnik Tonleiter- und Grundakkordübungen in allen Tonarten gesammelt. Die Fingerübungen von Ingo Goritzki dürften dabei jedem Oboisten ebenso bekannt sein wie die Akkordübungen von Emanuel Abbühl. Im Appendix gibt es dann die entsprechenden Variationsmöglichkeiten dazu. Ein großer Abschnitt, geschrieben von Fagottist Andreas Schulze-Florey, widmet sich der Doppelzunge.
Und hier liegt vielleicht das Manko dieses Projekts: Auf wenigen Seiten ist zwar vieles angerissen, informativ zusammengestellt und durch wenige Grundübungen ergänzt, aber wirklich in die Tiefe geht hier keines der Kapitel. Nichtsdestoweniger kann der geneigte Laie sich hier etliche Anregungen holen und sich für sein eigenes Spiel kreativ inspirieren lassen.
Marie-Theres Justus-Roth