Werke von Johann Sebastian Bach und Krzysztof Penderecki
Tatjana Ruhland
(Flöte), Christian Schmitt (Cembalo), Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, Ltg. Roger Norrington/Alexander Liebreich
Ein eher ungewöhnliches Konzept, nur Werke von Bach und Penderecki für eine CD auszuwählen, bei näherer Betrachtung aber auch ein einleuchtendes. Kombiniert wurden vier zwischen 2009 und 2014 entstandene SWR-Produktionen von Flötenkompositionen, mit denen sich Tatjana Ruhland immer wieder intensiv beschäftigt hat. Besonders am Herzen liegt ihr Pendereckis Concerto per flauto ed orchestra da camera aus dem Jahr 1992, von dem es auch eine spätere Fassung für Klarinette und Orchester gibt. Damit konfrontiert werden Bachs Orchestersuite in h-Moll BWV 1067, die Partita für Flöte solo BWV 1013 und die C-Dur-Sonate BWV 1033, die hier, wie vom amerikanischen Musikwissenschaftler Robert Marshall angeregt, ebenfalls als Solostück zu hören ist. Um stilistisch angemessen zwischen den Epochen und Komponisten differenzieren zu können, spielt Tatjana Ruhland Bach auf einer Boehmflöte aus Holz und Penderecki auf einer Goldflöte.
Die h-Moll-Suite wird empfindsam, fast introvertiert gespielt, Dirigent Roger Norrington lässt die Musik ruhig ausschwingen. Die Flöte ist Orchester- und Soloinstrument, sie gibt dem Streicherklang Farbe und glänzt in den virtuosen Partien. Die Tonalität der Suite aufgreifend beginnt Pendereckis Konzert mit einem um h zentrierten Motiv der Klarinette, dann erst kommt die Solo-Flöte dazu. Das abwechslungsreich besetzte Orchester ist immer aktiv beteiligt, z.B. mit einem rhythmischen Schlagabtausch zwischen Soloflöte und Rototoms (Tomtoms mit definierter Tonhöhe). Das einsätzige Werk ist mit komplexen Motivkombinationen dicht gearbeitet, konsequentes Denken in Stimmen verbindet es mit Bach. Es wurde 1993 uraufgeführt, dirigiert vom Komponisten und mit Jean-Pierre Rampal als Solisten. Ruhland gestaltet den Solopart virtuos und expressiv in präziser Interaktion mit dem von Alexander Liebreich geleiteten Orchester.
Im Vergleich zu den beiden Ensemblestücken lassen die solistischen Kompositionen natürlich mehr interpretatorische Freiheit zu. Beide nebeneinander zu hören, bietet aber Gelegenheit, über eigene Spielentscheidungen nachzudenken. Da Bachs Musik zeitlich gesehen überwiegt, könnte man aus Paritätsgründen vielleicht ein modernes Solostück vermissen. Das Konzert von Penderecki ist aber musikalisch und technisch derart intensiv und kraftvoll, dass die Balance auch so stimmt.
Die Begegnung der beiden Epochen, so die Idee der Beteiligten, sollte ein tieferes Verständnis der Werke ermöglichen und zeigen, wie Ausdrucksmöglichkeiten und Virtuosität der Querflöte über die Zeit zwar verschieden realisiert werden, grundsätzlich aber ähnlichen Gesetzen folgen. In diesem Sinn informiert auch das Booklet ausführlich über Werke und Interpreten. Obwohl die Anschaffung der CD sich schon allein wegen Penderecki lohnen würde, so hat die Entscheidung, Bach auf der modernen Flöte zu spielen, heute durchaus wieder ihre Berechtigung.
Ursula Peek