Risi, Clemens / Bettina Brandl-Risi / Anna Papenburg / Robert Sollich (Hg.)

Tannhäuser – Werkstatt der Gefühle

Wagner-"Concil" Bayreuther Festspiele 2011

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Rombach
erschienen in: das Orchester 12/2014 , Seite 67

Dass Dramaturgen die Inszenierungen, an denen sie beteiligt sind, schön reden, ist nichts Neues und gehört zum Handwerk – zumal im Regietheaterwesen und -unwesen hierzulande. Carl Hegemann ist einer, der besonders gerne klappert. Besonders gut klappert er allerdings nicht. Was unter anderem nachzulesen ist in dem erst jetzt erschienenen Buch zur inzwischen vorzeitig abgesetzten und abgespielten Bayreuther Tannhäuser-Inszenierung von Sebastian Baumgarten aus dem Jahr 2011. Tannhäuser – Werkstatt der Gefühle heißt der von vier Theaterwissenschaftlern in der Reihe „Rombach scenae“ herausgegebene Band, der schon aufgrund der teils bereits anderweitig veröffentlichten Texte eher gemischte Gefühle auslöst.
Insgesamt 18 Beiträge von 15 Autoren, die von Inszenierungsfotos begleitete Podiumsdiskussion mit dem Regisseur inklusive, spiegeln das gleichnamige, im August 2011 in Bayreuth veranstaltete Symposium und das schon vor der Premiere in Berlin durchgeführte Wagner-„Concil“, ein Begriff, den Friedrich Nietzsche in einem Brief 1873 prägte: „Also im Sommer Bayreuther Concil! Wir als die Bischöfe und Würdenträger der neuen Kirche!“ Ein zweifellos hoher Anspruch, der sich leider am falschen Objekt abmüht. Denn er arbeitet sich ausgerechnet an jener Inszenierung der jüngeren Festspielgeschichte ab, die in seltener Einmütigkeit von Kritik und Publikum abgelehnt wurde. Nicht etwa, weil sie stark polarisierte, sondern weil sie die Zuschauer weder emotional noch intellektuell berührte und bestenfalls ratlos machte.
Warum und für wen wurde dieses Buch gemacht? Wer soll es kaufen? Wer hat das Bedürfnis, im Nachhinein erklärt zu bekommen, was wann, wo und wie im Biogasanlagen-Tannhäuser gemeint sein könnte bzw. gemeint war? Warum sollte man sich mit etlichen durchaus erhellenden Gedanken dieser Texte auseinandersetzen, wenn sie aus der Inszenierung beim besten Willen nicht herauszulesen waren? Soll hier nachträglich auf dem Papierweg eine Theaterarbeit geadelt werden, deren Konzept sich in der erlebten Praxis als bloße Behauptung, als theatralisch unwirksam und unsinnlich herausgestellt hat?
Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass der eingangs erwähnte Carl Hegemann, einer der „Bischöfe und Würdenträger“, in der Podiumsdiskussion postuliert, dass der eigentliche Stein des Anstoßes der sogenannte Alkoholator (ein Bestandteil der umstrittenen Bühneninstallation Joep van Lieshouts) gewesen sei. Er will das bei der „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“ (GdF) erfahren haben, wo „alle ein Glas Champagner in der Hand hatten, denn das hatten sie von der Leitung bekommen, damit die Stimmung gut wurde“. Gut zu wissen, dass auch der Dramaturgen-Gutmensch gerne mal was trinkt, gut zu wissen, dass die großzügigen Gdf-Freunde das vom Ansatz her überflüssige Buch mitfinanziert haben.
Monika Beer