Werke von Astor Piazzolla, Luis Bacalov, Hermann Weindorf und anderen

Tango Sentimentale

Maximilian Spenger (Akkordeon), Susanne Gargerle (Violine), Isolde Lehrmann (Violine), David Ott (Viola), Sylvia Cempini (Violoncello), Thomas Jauch (Kontrabass), Manuel Lopez (Gitarre), Hermann Weindorf (Klavier, Schlagzeug)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: TYXart
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 78

Das Geheimnis der Formation der CD Tango Sentimentale verbirgt sich in den inneren Beziehungen der Musiker: Hermann Weindorf begründete 1982 mit seinen drei Brüdern die sechsköpfige Band Zara-Thustra, die für sich das Etikett „Neo-Klassik“ in Anspruch nahm, in Wirklichkeit aber eine Art Pop-Band war, die sich klassischer Elemente bediente, zumal zwei Mitglieder, Walter Schwarz und Maximilian Spenger, Musiker bei den Münchner Philharmonikern waren und alle vier Brüder am Richard-Strauss-Konservatorium studiert hatten. Drei der professionellen Musiker, die niederländisch-italienische Cellistin Sylvia Cempini, Geigerin Isolde Lehrmann und Gitarrist Manuel Lopez sind erfolgreiche Nachwuchstalente, ebenso die erste Violinistin Susanne Gargerle, die selbst in namhaften Orchestern und anderen Gruppierungen spielt.
Auch die nicht genuin für den Tango vorgesehenen Stücke der Aufnahme, etwa Hermann Weindorfs Agnus Dei, atmen weniger den Geist von Verzweiflung durchzogener argentinischer Liebessehnsucht, wie sie selbstverständlich etlichen Werken des begnadeten Astor Piazzolla zu eigen ist, sondern strahlen neben souveräner Ausgeglichenheit in der stilistischen Gestaltung eher Entspannung anstatt dunkler Moll-Tönung aus, wie das Album zunächst vermuten lässt. Eine besondere Spielart des Tango, hier „Milonga de la Noche“ benannt, charakterisiert durch zügigeres Tempo und synkopiertes erstes Taktviertel, stammt aus dem Repertoire des mitwirkenden Sängers und Pianisten Maximilian Spenger. Von süffiger und durch den gleichmäßigen perkussiven Hintergrund eher chanson- und tanzpraktischer ­Qualität sind Weindorfs Saludo a la Luna und Como el Viento de la Tarde, die freilich durch die ebenso klangfarblich variative wie gefühlvolle Gestaltung des Ensembles keinerlei Zweifel an ihrer durchdachten Faktur aufkommen lassen. Mit Beispielen von Sebastián Piana, Astor Piazzolla und Luis Bacalov erfährt die Zusammenstellung der sehr unterschiedlichen Tangos auch ihre historische Dimension, wobei diese bruchlos mit Weindorfs und Spengers einfallsreichen Kompositionen abwechseln.
Abgesehen von dem fast ausschließlich nach Marketingaspekten gestalteten Textbuch wäre ein anderer Titel als die etwas plakative Benennung Tango Sentimentale am Ende der langen Corona-Sperrzeit für Musikensembles sicher besser gewesen, denn mit präjudizierter und in den Stücken keineswegs durchgängig produzierter Melancholie lässt sich eine solche Durststrecke eher schlechter bewältigen und im Wiederaufleben der Orchester anschließend an die Hörer bringen.
Hanns-Peter Mederer