Fairouz, Mohammed

Tahrir

for Clarinet in B and Orchestra, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Peermusic, Hamburg 2013
erschienen in: das Orchester 05/2015 , Seite 75

In Amerika ist der 30-jährige, in New York lebende Komponist Mohammed Fairouz einer der bekanntesten seiner Generation. Er hat bei György Ligeti, Gunther Schuller und Richard Danielpour studiert. In seinem schon sehr reichhaltigen Werkkatalog – vier Sinfonien, Solokonzerte, eine Oper, zahlreiche Liederzyklen und Kammermusik – finden sich viele Werktitel, die darauf hinweisen, dass sich Fairouz als Künstler auch politisch engagiert. Er bezieht mit seiner Musik Stellung zu den Konflikten in der Welt. Ein Beispiel ist dafür seine 4. Sinfonie mit dem Titel In the Shadow of no Towers, in der er sich auf seine Art und Weise mit der Katastrophe vom 11. September 2001 auseinandersetzt. In seinen Kompositionen versucht Fairouz, der sich als arabisch-amerikanischer Komponist versteht, die verschiedenen musikalischen Kulturen zur Geltung kommen zu lassen, indem er sie quasi kontrapunktisch gegenüberstellt, fernab von Crossover-Tendenzen.
In Tahrir für Klarinette und die klassische Sinfonieorchesterbesetzung, ergänzt um Harfe, Tamburin, Congas und Triangel, aus dem Jahr 2011 erinnert er an die ägyptische Revolution, die auf dem Tahrir-Platz in Kairo ihren Ausgang nahm.
Tahrir ist eine leicht auffassbare, formal klar gegliederte Komposition mit ritornellartigen Orchestertutti-Teilen mit einer Spieldauer von zehn Minuten. Typisch sind stereotype Rhythmen, scharf akzentuierte Conga-Schläge, Begleitmuster im 3/3/2-Metrum und tonal geprägte, harmonische Stabilität. Auf dieser Basis kann die melodische Linie der Soloklarinette aufblühen, kommt das Verspielte und reich Ornamentierte des Soloparts mühelos zur Geltung. Dabei treten auch Elemente der Klezmer-Musik hervor, die in ihrem Melodiefluss und rhythmischen Empfinden deutliche Verbindungen zur arabischen Musik hat. Sie sind David Krakauer, dem berühmten amerikanischen Klezmer-Klarinettisten, zuzuschreiben, für den das Werk geschrieben wurde. Die Vibrato- und Glissandoeffekte und die spezielle Tongebung sind essenziell für die Interpretation des Soloparts. Merkmale der arabischen Musik zeigen sich in der Melodiegestaltung im Sinne des maqam, kleiner melodischer Einheiten mit charakteristischen Vierteltönen. Der Orchesterpart stellt keine besonderen Ansprüche und unterstützt die musikalischen Effekte.
Tahrir verkörpert die Entschlossenheit, die Aufbruchstimmung, die ihren Höhepunkt im „March on the palace“ erreicht, durch zwischen es-Moll und D-Dur hin und her wogende Triolen. Der Ausdrucksbereich wechselt zwischen tänzerischen und kürzeren marschartigen Episoden. Nur selten scheinen reflektierende Momente auf.
Mohammed Fairouz hat eine unkomplizierte, unmittelbar wirkende Musik geschaffen mit großer rhythmischer Wirkungskraft, deren positive Haltung durch die politische Realität allerdings wieder eingeholt wurde.
Heribert Haase