Dvorák, Antonín

Symphony Nr. 5 / Die Waldtaube

Staatsphilharmonie Nürnberg, Ltg. Marcus Bosch

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics COV 91512
erschienen in: das Orchester 02/2016 , Seite 71

Auf die beiden Sinfonien Nr. 4 und Nr. 8, erschienen im September 2014 (siehe auch das Orchester 9/2015, S. 79), folgt nun gleich Dvoráks Fünfte, welche populär gerne mal „pastoral“ oder „bukolisch“ genannt wird. Der Komponist hatte indes aufgrund der gewählten Tonart F-Dur wohl absichtlich auf solche Titelhinweise verzichtet, um gerade nicht in die Nähe von Beethovens Sinfonia pastorale op. 68 gerückt zu werden. Trotzdem kursiert diese wohlmeinende direkte Nachbarschaft in der Literatur teils bis heute.
Dass Dvorák hierbei „den idyllischen Charakter von Beethovens Sinfonie“ übernommen haben soll, wie der Autor Kai Weßler im Booklet hervorhebt, ist so nicht nachvollziehbar. Weßler räumt dann auch im selben Satz ein, dass Beethoven zum einen freilich „auf dramatische Kontraste tendenziell verzichtet“ und Dvorák stärker „das spezifisch ‚Böhmische‘ seines Stils“ hervorgehoben habe. Es ist eher daran zu denken, dass der Komponist sich mit dieser Sinfonie von Beethoven bewusst abgrenzen wollte. Bereits der Beginn mit den beiden ländlichen Klarinetten und die daraus resultierende Entwicklung der Introduktion atmen Dvoráks vielsprechende, stimmungserzeugende Tonsprache: Wenn schon Vorbild, dann erinnerte das romantisch-farbige Melos eher an Franz Schubert.
Die staatsphilharmonischen Musiker unter Marcus Bosch setzen die böhmische Hain-und-  Flur-Atmosphäre in überzeugenden Tempi in allen Sätzen bestens um, wenngleich – wie bei der CD mit den Sinfonien 4 und 8 – hier die Aufnahmetechnik ebenso manche klangliche Spitzen insbesondere der schillernden Bläser nivelliert. Insgesamt verliert die Aufnahme etwas an klanglicher Schärfe.
Das Gleiche gilt auch für das Eingangsstück, die Symphonische Dichtung Die Waldtaube op. 110. Sie handelt von einer Ehefrau, die ihren Mann ermordet hat, um einen anderen zu heiraten. Auf dem Grab ist inzwischen ein Baum gewachsen, in dem eine Taube nistet, die durch ihr klagendes Gurren die neue Beziehung zu dem jungen Burschen derart stört, dass die Frau, vom schlechten Gewissen gepeinigt, am Ende Selbstmord begeht: Gruselstoff à la Edgar Allan Poe also, den Dvorák sehr farbig mit romantischer Tonsprache deutscher Couleur sowie tschechischen folkloristischen Elementen genial verbindet. Einerseits Musik, die bei Kenntnis der Hintergründe unter die Haut geht, andererseits sich aber auch tänzerisch leicht gibt wie der kurze, aber schwungvolle Hochzeitstanz, den die Akteure mit viel Schmiss interpretieren. Dennoch sind die Passagen mit tschechischer Idiomatik bei den Nürnbergern nicht ganz so markant herausgearbeitet wie beispielsweise von Rafael Kubelík oder Václav Neumann, die in den 1960er und 1970er Jahren die Waldtaube ebenfalls aufgenommen haben.
Leider hat auch der Druckfehlerteufel zugeschlagen: So ist die ergänzende Satzbezeichnung nach dem Andante, das „Allegro scherzando“ im dritten Satz der Sinfonie, irgendwie unter den Tisch gefallen oder versehentlich gelöscht worden. Ein Scherzo gänzlich im Andante wäre ein echtes Kuriosum für diese Zeit.
Werner Bodendorff