Werke von Antonin Dvořák und Bedřich Smetana
Symphony No. 8 in G major op.88/The Wild Dove op. 110/ Prelude to the Opera „Libuše”
Czech Philharmonic, Ltg. Václav Neumann
Diese bislang unveröffentlichten historischen Aufnahmen der hier vorgestellten Kompositionen von Antonin Dvořák und Bedřich Smetana sind in den Jahren 1988 (op. 88) und 1984 (op. 110 und das Opernprelude) bei den Internationalen Musikfestwochen Luzern entstanden.
Zwar unterliegt Musik gerade nicht den Beschränkungen, die für Literatur gelten. Letztere ist an Sprache gebunden, mithin an das wesenhaft Nationale. Musik hingegen ist wesenhaft kosmopolitisch. Dennoch darf man sich fragen, ob Deutung und Aufführung musikalischer Werke immer dann besonders stimmig wirken, wenn Komponist und Interpret sich durch Tradition besonders nahe sind.
Doch das echte Leben bekennt sich gern zur Besonderheit: Als im 19. Jahrhundert die europäischen Nationen entstanden, wuchsen auch die nationalen Züge in der Musik – was sie aber international nicht trennte, sondern sogar interessanter machte. Die Deutschen Hans von Bülow und Hans Richter waren z. B. regelrechte Dvořák-Propheten und die Engländer waren hin und weg von der 8. Symphonie.
Die Achte ist ein formal sehr freies Werk. So hatte es der Komponist gewollt: weg von den allseits benützten Formen – weg von akademischen Themenverarbeitungen, hin zu einem Bilderrausch. Die innerlich über den jeweils ausbuchstabierten G-Dur Dreiklang verbundenen Ecksätze machen es ohrenfällig. Neumann holt alles heraus, ohne sich darin genüsslich zu wälzen – ein stimmiges Bild entsteht durch ein Gewebe von Rhythmen, Takt und gestaltenden Pausen.
In den symphonischen Dichtungen auf Schauergeschichten von Karel Erben – hier Die Waldtaube – wird die Verbindung von Sprache und Musik sehr eng. Der Komponist Janáček sprach von genialen Ursprungsverbindungen und nannte sie die „tschechischsten“ von Dvořáks Werken. In der Tat: Sie sind ganz eigen. Neumann lässt in op. 110 Trauer und Variationen des Hauptthemas zu hoher atmosphärischer Dichte wachsen.
Die dritte Musik der CD schrieb der „Schöpfer der tschechischen Nationalmusik“ Bedřich Smetana. Die Libŭse, seine „tschechischste“ Oper dem Sujet nach und musikalisch an Wagner orientiert, war im 1. und 2. Weltkrieg wie auch im Sozialismus als patriotisches Werk geschätzt. Zudem wurde es schnell üblich, dem Publikum das Vorspiel allein zu bieten, zumal nach der majestätischen Fanfare bereits die Leitmotive auftauchen. Natürlich hört man auch jetzt noch den stolzen Ton der Musik, aber Dirigent und Orchester erhöhen ihn nie Richtung Anmaßung. So lernt man ein wenig tschechische Geschichte im Gewand kunstreicher Musik kennen.
Eine technisch und musikalisch sehr gute Produktion und ein informatives Booklet.
Kirsten Lindenau