Bruckner, Anton
Symphony No. 5
Claudio Abbados Auftritte mit dem Lucerne Festival Orchestra gehören alljährlich zu den unbestrittenen Höhepunkten des Konzertsommers. In dem hochkarätig besetzten Klangkörper, der dieses Jahr bereits zum zehnten Mal am Vierwaldstättersee zusammenkam, konzentriert sich sozusagen die Quintessenz von Abbados jahrzehntelangem musikalischen Schaffen. Die Basis bildet sein vorzügliches Mahler Chamber Orchestra, während an den ersten Pulten international renommierte Solisten und Kammermusiker sitzen, von denen er viele schon in den Jahren als Chefdirigent in Wien und Berlin kennen lernte. Neben dem vielbeachteten Mahler-Zyklus hat sich der italienische Dirigent in Luzern auch Werken von Anton Bruckner gewidmet. Der siebten und der vierten Sinfonie folgte im Sommer 2011 die fünfte, die nun als DVD bei dem Label Accentus Music erschienen ist.
Die monumentale Sinfonie, die auch die “Katholische” genannt wird, gilt als Glaubenskenntnis des Komponisten, der fantastische Züge in ihr erkannte. Abbado vermag es, in den vier Sätzen in äußerster Klarheit und Transparenz eine Kathedrale entstehen zu lassen, der jede Erdenschwere fehlt. Die Streicher-Pizzicati, die zu Beginn aus tiefer Stille emporwachsen, führen hin zu einem energischen und strahlenden Einsatz der Bläser, die mächtig, aber niemals wuchtig klingen. Abbado zeigt sich auch bei Bruckner als Meister der Nuancen und sensibel austarierten dynamischen Kontraste. Besonders hervorzuheben sind exzellente Solisten wie der Oboist Lucas Macías Navarro vom Amsterdamer Concertgebouworkest, der Flötist Jacques Zoon, der Trompeter Reinhold Friedrich sowie der Klarinettist Alessandro Carbonare und der Hornist Alessio Allegrini, beide aus dem Orchestra dellAccademia di Santa Cecilia.
Die Aufnahme zeigt erneut, wie hervorragend das Orchester miteinander harmoniert, obwohl es nur im Sommer in Luzern und auf wenigen Tournee-Etappen zusammen auftritt. Dass Abbado und seinen Musikern jegliche Routine fremd ist, merkt man ihren gemeinsamen Entdeckungsreisen auf das Glücklichste an. So gerät der finale Satz der Bruckner-Sinfonie, der Themen aus den ersten Sätzen wieder aufnimmt und zu einer komplexen polyfonen Konstruktion weiterentwickelt, zu einem besonderen Höhepunkt, der die Musiker auf die sprichwörtliche Stuhlkante rücken lässt. Nach dem feierlichen Schlusschoral der Bläser spendet das Publikum im Saal langen und begeisterten Applaus.
Im Sommer 2012 haben sich Dirigent und Orchester ein weiteres Werk des Österreichers vorgenommen. Mit Bruckners erster Sinfonie waren sie im September nicht nur in Luzern, sondern auch im Wiener Musikverein, im Moskauer Tschaikowsky-Saal und in der Laeiszhalle in Hamburg zu erleben.
Corina Kolbe