Klughardt, August

Symphony No. 5 / Overtures

Anhaltische Philharmonie Dessau, Ltg. Antony Hermus

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 77693-2
erschienen in: das Orchester 03/2015 , Seite 78

Im Gegensatz zu manch anderen städtischen Bühnen dokumentieren die CD-Aufnahmen des Anhaltischen Theaters Dessau nicht nur die Leistungsfähigkeit des Hauses, sondern haben in fast allen Fällen auch Repertoirewert. Besonders intensiv hat sich die Anhaltische Philharmonie, das Dessauer Theaterorchester, mit August Klughardt (1847-1902) einem seiner großen Dirigenten gewidmet. Bislang lagen die zweite und die dritte Sinfonie sowie das Violinkonzert und die Orchestersuite Auf der Wanderschaft in Aufnahmen vor. Vor Kurzem ist nun die hörenswerte fünfte Sinfonie erschienen, in Kopplung mit der Konzertouvertüre Im Frühling op. 30 und der hinreißenden Festouvertüre Es-Dur op. 78. Dirigiert wird die Anhaltische Philharmonie von ihrem Generalmusikdirektor Antony Hermus, der das Orchester seit 2009 in beeindruckender Weise geformt und das chronisch bedrohte Anhaltische Theater vehement unterstützt hat. Leider wird der Holländer zum Ende dieser Spielzeit Dessau verlassen.
Es lohnt sich, über August Klughardt einige Worte zu verlieren: In Köthen, also auch im damaligen Herzogtum Anhalt, geboren, ging er nach Lehrjahren in Dessau und Dresden nach Posen, Neustrelitz, Weimar und wieder Neustrelitz – um 1882 in seine Heimat, nach Dessau, als Kapellmeister am anhaltischen Hofe zurückzukehren. Die vorgefundene Affinität für Werke Wagners am Anhaltischen Theater machte er sich zu eigen und dirigierte 1892/93 die erste Gesamtaufführung des Rings in Dessau.
Als Komponist ist Klughardt heute mehr oder weniger vergessen, sieht man einmal vom Bläserquintett, den Schilfliedern und dem Cellokonzert ab. Stilistisch orientiert sich Klughardt deutlich an Liszt, ohne dessen Gattung der Sinfonischen Dichtung zu übernehmen. Vielmehr schrieb er fünf Sinfonien und zahlreiche Kammermusikwerke. Die sehr dramatisch anhebende (fünfsätzige) fünfte Sinfonie gemahnt in ihrer Chromatik dann auch an Liszt, ebenso aber an Dvorák und Brahms. Sie wurde als Streichsextett 1892 uraufgeführt, bevor die Orchesterfassung 1897 aus der Taufe gehoben wurde.
Trotz vielfältiger Einflüsse ist das Werk ganz gewiss nicht als eklektizistisch zu bezeichnen, in Teilen ist es vielleicht etwas schwer und kantig, in jedem Fall aber kreativ und kunstvoll gesetzt. Der zweite Satz, das Adagio ist ganz zauberhaft mit Hang zum Klangzauber des Fin de Siècle. Die Transparenz, Klangkraft und Präzision der Anhaltischen Philharmonie überzeugen. Die Konzertouvertüre Im Frühling entstand um 1870 und erinnert nicht wenig an Schumann, ein ebenfalls hörenswertes Werk.
Sahnehäubchen der Aufnahme ist aber die Festouvertüre zur Feier des 100-jährigen Bestehens des herzoglichen Hoftheaters Dessau aus dem Jahr 1898. Nicht nur verwendet Klughardt mit dem Marsch Der alte Dessauer und dem Anhalt-Lied zwei Melodien, die das Herz von Lokalpatrioten (in solch großartiger Verarbeitung) höher schlagen lassen. Die ganze Ouvertüre kann es ohne Weiteres mit Wagners Meistersinger-Ouvertüre aufnehmen. Sie verbindet eingängige Themen, kunstvolle Instrumentation mit gehobener Satztechnik und mitreißender Dramaturgie. Mehr Klughardt bitte.
Johannes Killyen