Ludwig van Beethoven
Symphony No. 3 op. 55 „Eroica“/15 Variations and Fugue op. 35 „Eroica“ Variations
Westdeutsche Sinfonia, Ltg. Dirk Joeres
Zwei Takte lang eine Bewegung innerhalb des Dominantseptakkords, dann setzt auf der Tonika das Hauptthema von Beethovens Eroica ein. Nein? Das kennen Sie anders? Freilich, denn der hier geschilderte Beginn entstammt einer verworfenen Skizze Beethovens. Und richtig: Wie schwach hätte diese Fassung im Vergleich zur endgültigen gewirkt, zur selbstbewussten Eröffnung mit zwei wie Hammerschläge gesetzten Tonika-Akkorden.
Einige derartige Blicke in Beethovens Werkstatt darf der Käufer der vorliegenden CD-Neuveröffentlichung werfen. Denn hier wird ihm mehr geboten als die x‑te Aufnahme von Beethovens dritter Symphonie, mit der der Komponist einen neuen Anspruch für die Gattung Symphonie anmeldet.
Was nicht heißt, dass die Interpretation durch die Westdeutsche Sinfonia unter ihrem Dirigenten Dirk Joeres nicht durchaus gelungen wäre: mit einem dramatisch gespannten, nur im Bereich des zweiten Themas im Tempo merklich gebremsten Kopfsatz und einem schlank beginnenden, erst später an Größe und Wucht zunehmenden Trauermarsch. Das transparente Musizieren der aus führenden Musikern mehrerer nordrhein-westfälischer Orchester zusammengesetzten Westdeutschen Sinfonia setzt sich auch im lockeren Spiel des Scherzos und im Variationen-Finale fort.
Was diese CD-Veröffentlichung heraushebt, ist die Beigabe einer DVD, auf welcher Dirk Joeres eine Einführung zum Werk gibt: mit Klangbeispielen auf dem Klavier oder in Orchesterfassung. Kleines Manko: mit Blick auf den internationalen Markt spricht er seinen erläuternden Text englisch, doch eine deutsche Version ist immerhin in Untertiteln sowie im CD-Booklet wiedergegeben. Eben in diesem Rahmen kommen auch Beethovens Skizzen zur Sprache, und man wünschte nur, Joeres hätte diesen Aspekt seiner Ausführungen noch erweitert.
Instruktiv ist auch der Vergleich des letzten Eroica-Satzes mit den von Dirk Joeres (der seine Karriere als Pianist begann) auf der CD anschließend eingespielten Variationen op. 35 Beethovens, die aus dem gleichen musikalischen Material entwickelt sind. Es ist dies einer der wenigen Fälle in Beethovens Œuvre, wo eine musikalische Grundidee unterschiedliche, doch in großen Zügen analoge Ausarbeitungen findet (die drei verschiedenen Leonoren-Ouvertüren bilden ein ähnliches Beispiel). Das Vorausschicken der Basslinie, ihr alleiniges Variieren, dann das Hinzutreten der Melodiestimme sind beiden Kompositionen gemein, ferner der Einbau von fugierten Abschnitten und eine verklärende Wiederkehr des Oberstimmen-Themas im langsamen Tempo.
Eine ähnliche CD-Veröffentlichung plus kommentierender DVD haben Dirk Joeres und die Westdeutsche Sinfonia bereits der ersten und zweiten Symphonie Beethovens gewidmet. Es ist anzunehmen und zu wünschen, dass dieses Projekt fortgeführt wird, von der als nächstes anstehenden Vierten bis hin zur Neunten.
Gerhard Dietel