Anton Bruckner
Symphony No. 2 in C minor
Bamberger Symphoniker, Ltg. Christoph Eschenbach
Die Aufnahme ist ganz frisch. Erst im März 2024 – im Bruckner-Jubiläumsjahr – nahmen die Bamberger Symphoniker unter der Leitung von Christoph Eschenbach in ihrer ehrwürdigen Konzerthalle Anton Bruckners Symphonie Nr. 2 c-Moll WAB 102 auf. Und man will es 200 Jahre nach seinem Geburtstag immer noch nicht recht glauben, dass insbesondere dieses, ursprünglich zwischen dem Herbst 1871 und dem 11. September 1872 komponierte Werk des oberösterreichischen Tonkünstlers tatsächlich zu den eher wenig eingespielten gehört. Hierbei handelt es sich aber nicht um die Urfassung, sondern man wählte in vorliegender Aufnahme wiederum nur die sogenannte 2. Fassung von 1877 aus. Beinahe ist es bedauerlich, dass Dirigenten insbesondere in solch einem Jahr sich mit dem Mahlstrom treiben lassen. Wann denn sonst hätte der „Normalhörer“ die Gelegenheit erhalten, von einem international renommierten Dirigenten wie Christoph Eschenbach die Urfassung zu hören, was sicherlich verkaufsträchtiger wäre, weil sie in den CD-Regalen fehlt. War sie es doch, die einst Bruckner selbst auf der Schlussfeier der Wiener Weltausstellung am 26.10.1873 dirigiert hatte. Freilich wurde sie damals nicht günstig aufgenommen – und bedauerlicherweise erst über hundert Jahre später, 1991, eingespielt –, sondern erst die spätere, für den Druck im Jahre 1894 nochmals leicht veränderte Fassung. Das half der Rezeption jedoch auch nur bedingt. Sie ist die erste mit dem typischen Bruckner-Tremolo zu Beginn.
Nun also Christoph Eschenbach, der seit über 50 Jahren mit Bruckners Symphonien bestens vertraut ist und sie bis in die jüngste Vergangenheit dirigierte. Dieses Mal stand er den Bambergern vor. Genau dort stand zufällig einige Monate zuvor bereits Jakub Hrůša am Pult, der die Vierte und die Neunte dirigierte. Eschenbachs Interpretation der Zweiten bleibt jedoch leider hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück: zu brav und zurückhaltend wie mit angezogener Handbremse. Das Orchester tut sein Bestes, die Tempi scheinen zwar oberflächlich gesehen frisch, doch wirken die Ecken und Kanten, die diese Symphonie wegen ihrer zahlreichen, damals umstrittenen Pausen hat – und deshalb verächtlich auch „Pausensymphonie“ genannt wurde – ungewöhnlich glatt und aussageschlank. Ihr eigentlicher Charakter kommt bis auf wenige lyrische und hoffnungsfrohe, weil durchaus schön herausgearbeitete Passagen, insgesamt eher nebulös daher.
Im Gegensatz dazu versprüht beispielsweise die von Christian Thielemann mit den Wiener Philharmonikern mitreißenden Elan. Sie besticht durch Transparenz, Klarheit und Ausdruckswärme. Obwohl Eschenbach die Tempi mit knapp 53 Minuten Dauer rascher nimmt als Thielemann, der etwa 57 Minuten benötigt, wirkt die jüngste Aufnahme auf geheimnisvolle Weise doch etwas langatmiger.
Werner Bodendorff