Davies, Peter Maxwell
Symphony No. 10 Alla ricerca di Borromini
for solo baritone, SATB chorus and orchestra, Studienpartitur
Peter Maxwell Davies verbrachte einen Großteil der Zeit, in der er seine zehnte Sinfonie schrieb, sehr schwer erkrankt im Krankenhaus. Ob die Sinfonie durch diese persönliche Tragödie beeinflusst wurde, soll dahingestellt bleiben. Immerhin, zehn umfangreiche und erfolgreiche Sinfonien zu schreiben, wie es Maxwell Davies gelungen ist, ist nicht jedem Komponisten vergönnt.
Das groß besetzte Orchester (u.a. vier Flöten, drei Klarinetten mit zusätzlicher Bassklarinette und Kontrabassklarinette und sechs Schlagzeuger) wird von einem Chor und einem Bariton unterstützt. Bei der Uraufführung in London im Februar 2014 übernahmen London Symphony Orchestra, London Symphony Chorus und Bariton Markus Butter diese Aufgaben, Antonio Pappano dirigierte.
Maxwell Davies beschäftigt sich in dieser Sinfonie mit dem berühmten römischen Barockarchitekten Borromini und gab deshalb seinem neuen Werk einen Untertitel: Alla ricerca di Borromini. Für das Libretto hat er ein anonymes Sonett über Borromini aus dem 17. Jahrhundert und einen Text Giacomo Leopardis aus dem frühen 19. Jahrhundert verwendet. Der Solo-Bariton kommt als Ich-Erzähler daher und schildert einen Selbstmordversuch Borrominis aus dessen Perspektive.
Die ca. 45 Minuten lange Sinfonie besteht aus vier Teilen (Parts).
Zu Streichern und Marimba erklingen zu Beginn des ersten Teils (Adagio) leise, tiefe Töne in den Flöten. Zwei Hörner werfen kurze Rufe ein, mehr rhythmisch als melodisch. Nach und nach kommt das gesamte Orchester hinzu, steigert sich an Dichte und Dynamik, lässt eindrucksvolle, nach oben strebende Klangflächen entstehen. Ein kleines bisschen flotter (Poco Piu Mosso) geht es weiter und das Holz darf, sehr leise, mit langen Tönen glänzen. Nun wechselt das Tempo ins Allegro ab und an ziehen bewegte wellenförmige Melodien durch die Streicher, dann durch viele Stimmen, immer aufwärts gerichtet.
Der zweite Teil beginnt mit vier langsamen Takten (Adagio) und schreitet sodann im Allegro leicht tänzerisch weiter. Nun setzt erstmals der Chor ein und singt das Sonett, textverständlich gesetzt. Der Bariton lässt anschließend, ein bisschen dramatisch, den Architekten zu Wort kommen.
Der dritte Teil zitiert die kurzen Rufe der Hörner, bevor der komplette Holzsatz und die Schlagzeuger aktiv werden. Schnell (Presto) und ziemlich bewegt stürmt dieser Satz voran, beruhigt sich gegen Ende jedoch ungemein und endet sehr ruhig.
Der vierte Satz, dramatisch und expressiv, beginnt mit dem Chor in zarter Begleitung der Streicher und dem Text Leopardis. Fast delikate Depressionen, lyrisch und musikalisch von Autor und Komponist sehr gekonnt in glitzerndes Staniolpapier gewickelt imposant. Der Bariton singt gegen Ende streckenweise fast vom Orchester unbegleitet, der Chor fügt später lange Klänge hinzu. Ein paar Läufe aufwärts, ein letzter Choreinsatz, dann widmet der Bariton in den letzten sechs Takten diese Musik der Cäcilia, der Schutzheiligen der Musiker, und die sehr interessante Sinfonie ist zu Ende.
Heike Eickhoff