Cipriani Potter
Symphony No. 1/Overture to Cymbelene/Introduzione e Rondo
Claire Huangci (Klavier), BBC National Orchestra of Wales, Ltg. Howard Griffiths
Hört man den Namen des Komponisten Philip Cipriani Hambly Potter, denkt man zunächst fast an einen Aprilscherz. Aber den Londoner Komponisten gab es tatsächlich. Er lebte von 1792 bis 1871 und baute als Dirigent, Dozent und Pianist das britische Musikleben mit auf. Außerdem trägt eine Stradivari-Violine aus seinem Besitz bis heute seinen Namen. Seine großen Vorbilder waren Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Gioacchino Rossini. Einer seiner Lehrmeister war Thomas Attwood, Londoner Hofkomponist und Organist der St. Paul’s Cathedral, der bei Mozart Theorie und Komposition studiert hatte. 1817 besuchte Potter Beethoven in Wien, danach noch Rossini in Italien, bevor er 1819 wieder auf die Insel zurückkehrte. Mit Rossini teilte Potter das Geburtsjahr sowie das öfter heitere als dramatische Temperament, und ähnlich wie der Italiener stellte Potter nach 1837 das Komponieren ein.
Schon als Potter vor 150 Jahren starb, war er als Komponist weitgehend vergessen. Das ändert sich erst in den vergangenen Jahren, sicherlich auch durch diese neue CD. Sie beginnt mit Potters immerhin mehr als 24-minütiger, 1826 uraufgeführter Symphonie Nr. 1 g-Moll. Zumindest in ihren Ecksätzen zeigt sie, dass Potters Musik manchmal schon ebenso romantisch sein konnte wie die von Felix Mendelssohn Bartholdy.
In der Mitte der Einspielung steht Potters Introduzione e Rondo (alla militaire) Es-Dur für Klavier und Orchester von 1827. Das ist nun eher scherzhafte als militärische Musik, mit vielen instrumentalen Pointen wie etwa witzigen Holzbläser-Kommentaren oder einem plötzlichen, unanständig tiefen Einzelton im zweiten Horn. Potters Einfälle sprudeln hier unerschöpflich – tragen aber dennoch nicht ganz über die gut 19 Minuten Spieldauer.
Am Ende dann Potters 1836 vollendete und mehr als viertelstündige Ouvertüre zu William Shakespeares Tragödie Cymbeline. Dabei handelt es sich (nach dem Vorbild von Beethovens Coriolan-Ouvertüre) um eine Konzertouvertüre, denn für diese damals neue Gattung diente die literarische Vorlage nur als Anregung, um Charakterstücke zu schreiben.
Das BBC National Orchestra of Wales (NOW) spielt das alles sehr lebhaft und klangschön, findet einen guten Mittelweg zwischen Prägnanz und Leichtigkeit, wobei die Akustik der BBC Hoddinott Hall in Cardiff an den dichtesten Stellen eine Spur zu hallig herüberkommt. Der englische Dirigent Howard Griffiths wirkt wie immer sehr stilsicher. Schade nur, dass er das NOW in der Ouvertüre ein wenig zu hurtig antreibt.
Die junge Solistin Claire Huangci trifft sehr gut den spielerischen Charakter dieser Musik, hebt ihren Klavierpart deutlich über das zu jener Zeit übliche, oberflächlich virtuose Geklingel hinaus.
Ingo Hoddick