Leopold von der Pals
Symphony No. 1/Frühling/Herbst/Wieland der Schmied
Helsingborg Symphony Orchestra, Ltg. Johannes Goritzki
Erneut betritt Johannes Goritzki als engagierter Anwalt nahezu vergessenen Repertoires Neuland. Denn selbst in Musikenzyklopädien findet sich der Name Leopold van der Pals’ selten, was vielleicht mit dessen Multikulturalität zusammenhängt, die ihn an weit auseinanderliegenden Orten dank der Musik immer eine Heimat finden ließ. Der 1884 geborene Sohn eines niederländischen Konsuls und einer Dänin aus Komponistenfamilie, die sich in den höheren Kreisen der St. Petersburger Gesellschaft bewegte, verlegte seinen geografischen Mittelpunkt zunehmend auf die Schweiz. In Lausanne erhielt er den Feinschliff in Kontrapunkt und Harmonielehre. Zwischenzeitlich lebte van der Pals im kaiserzeitlichen Berlin, bis zum Todesjahr 1966 dann in Dornach südlich von Basel.
1907 erhielt er die Gelegenheit, außer in Berlin, wo er sich bei Reinhold Glière ausbilden ließ, von diesem auch im französischen Biarritz unterwiesen zu werden. Unter dem Einfluss von Rudolf Steiners Büchern und einem finnischen Sommer schrieb er seine 1. Symphonie fis-Moll in einem Zeitraum von zwei Jahren nieder. Ihr Stil, den man in jeder Hinsicht als paneuropäisch bezeichnen kann, der aber im Unterschied zum Werk zeitgenössischer Kollegen ohne harmonische Innovationen auskommt, ist ganz und gar spätromantisch. Anders als bei der fünf Jahre später komponierten symphonischen Dichtung Wieland der Schmied ist die verspätete Anlehnung an Wagner noch nicht so deutlich.
Im Fall des Poems Herbst aus dem Jahr 1911, das auf Frühling (1910) folgte, verweist van der Pals selbst auf das Erlebnis der Münchner Uraufführung von Mahlers 8. Symphonie Es-Dur als Quelle der Inspiration. Der geplante Jahreszeitenzyklus fand keine Fortsetzung, die beiden vorhandenen Teile stehen aber ohnehin im Zusammenhang von Aufblühen und Vergehen der Natur.
Hörbar ist an der Aufnahme mit den glanzvoll und in starken Klangfarben malenden Helsingborger Symphonikern, dass ihr Leiter Johannes Goritzki das Schwergewicht nicht auf die Individualität der von Erdenschwere wie Leichtigkeit geprägten Werke legt. Vielmehr sucht er den erwähnten eklatanten „europäischen“ Querschnitt dieser Musik abzubilden. Mehr als an Wagner erinnert seine Interpretation so an Bizets, d’Indys oder Svendsens schwelgende Melodik und Harmonik, eher an vorimpressionistische Pastellgemälde sowie manche von Innigkeit getragene Kompositionen des jungen Gade als an die emotional zugespitzte Tragik nordisch-mythologischer Opern des vorhergehenden Jahrhunderts. Andererseits erzwingt die Charakterisierung der Figur Wieland der Schmied eine nicht wegzudeutende Drastik zwischen Trauer, Groll und Wut, die das schwedische Orchester angemessen mitzuvollziehen versteht.
Hanns-Peter Mederer