Brahms, Johannes

Symphony No. 1 c minor op. 68

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Oehms Classics OC 408
erschienen in: das Orchester 03/2012 , Seite 76

1994 ist das damalige Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken mit dem aus Polen stammenden Dirigenten Stanislaw Skrowaczewski eine
engere künstlerische Verbindung eingegangen, indem es ihn zum ersten Gastdirigenten ernannte. Aus dieser Zusammenarbeit sind auch einige CD-Produktionen entstanden, so u.a. die Aufnahmen aller Bruckner- und Beethoven-Sinfonien. Nach der Fusion dieses Orchesters mit dem SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern wurde diese erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Einspielung der Schumann-Sinfonien fortgesetzt, der jetzt auch alle Brahms-Sinfonien folgen sollen.
Der mittlerweile 88-jährige Skrowaczewski, der seine Karriere 1946 als Direktor der Philharmonie in Breslau startete und neben weiteren bedeutenden Stationen in Polen 1956 den Internationalen Dirigentenwettbewerb in Rom gewann, ging 1960 nach Amerika, wo er langjähriger Chef des Minneapolis Symphony Orchestra und des Hallé-Orchesters war. In Saarbrücken war er nie Chefdirigent, gleichwohl leitete er aber auch neben vielen Konzerten einige Tourneen des Orchesters.
Die erste Sinfonie von Johannes Brahms trägt in der Komposition noch die Spuren des jahrelangen Ringens um die Gattung, das sich von der ersten Konzeption bis zur Uraufführung über vierzehn Jahre erstreckte. Das macht die Interpretation des Werks nicht leicht. Skrowaczewskis Interpretation setzt dabei mehr auf Brahms in der Nachfolge Beethovens als auf den „neue Bahnen“ beschreitenden Komponisten.
Der Orchesterklang ist sehr schlank und auf Durchhörbarkeit ausgerichtet, massive Klangballungen liegen ihm fern. Das akribische Partiturstudium wirkt sich in den äußerst genauen dynamischen Abstufungen und präzisen Akzentuierungen aus. Dazu wählt er gemessene, stabile Tempi, die die Spielzeit der Sinfonie – allerdings mit der Wiederholung der Exposition des ersten Satzes, die bei anderen Aufnahmen ausgespart wird – auf 52 Minuten ausdehnen.
Die Introduktionen zum ersten und vierten Satz kommen nur allmählich vorwärts, sie treten etwas auf der Stelle. Der zweite Satz, Andante sostenuto, wird fein ausmusiziert, liegt aber doch an der unteren Grenze eines noch als gehend zu empfindenden Tempos, während der dritte Satz als graziöses Intermezzo vollkommen überzeugt.
Der Schlusssatz wartet mit kompaktem Klang auf und zeigt Größe. Auch hier bleibt Skrowaczewski seiner Linie treu: eher gezügelte Tempi und die Struktur der Komposition primär im Blick habend. So klingt auch die geniale Brahms’sche Idee des Alphornthemas, das sehr forciert gespielt wird, ohne romantischen Sehnsuchtston, eher nüchtern als von einem anderen Stern kommend.
Das Orchester erweist sich als ein in allen Bereichen bestens besetztes Ensemble, dessen Holzbläser besonders in den Mittelsätzen ihre solistischen Qualitäten zeigen können. Die hohen Streicher wirken klanglich stellenweise zu dünn, was auch an der Aufnahmetechnik liegen mag, die etwas zu wenig räumliche Tiefe aufweist.
Heribert Haase