Antonín Dvořák

Symphony No. 1/Bagatelles

arr. von Dennis Russell Davies, Filharmonie Brno, Ltg. Dennis Russell Davies

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Filharmonie Brno FB003
erschienen in: das Orchester 09/2021 , Seite 83

Der seit Anfang der Spielzeit 2018/19 in Brünn tätige, international bekannte Dirigent Dennis Russell Davies gab sein Debütkonzert bei den Brünner Philharmonikern u. a. mit Antonín Dvořáks 1. Sinfonie c-Moll op. 3 mit dem Beinamen „Die Glocken von Zlodnice“. Brünn war der Ort, wo 1936 Dvořáks sinfonisches Erstlingswerk erklang.
Vorliegende Aufnahme stammt vom Juni 2020, welche jedoch nicht Dvořáks originäre Fassung, sondern eine von Davies eigens hergestellte Adaption zum Erklingen bringt. Diese Umarbeitung betrifft hauptsächlich den Finalsatz, der als rhapsodisch und kompositorisch als ausufernd gilt. Davies wollte seine eigene Perspektive in die Interpretation einbringen und hat Änderungen vorgenommen. Sie seien – nach seinen eigenen Worten – „zum Teil auch struktureller Natur“ und „so konzipiert, dass ich einem jungen Genie sozusagen als Resonanzboden diene“.
Dabei ging er radikal vor, indem er ganze Abschnitte und Wiederholungen strich und massiv in die kompositorische Substanz eingriff. Insgesamt nehmen diese Kürzungen etwa die Hälfte des Finalsatzes ein. Dieser gestaltet sich nun im Ergebnis als viel zu kurz und kommt mit einer realen Spieldauer von nur sieben Minuten und 32 Sekunden als unausgegoren und zu massig daher. Zum Vergleich dauern beispielsweise die „Fassungen“ mit István Kertész von 1986 14 Minuten und 40 Sekunden, und Rafael Kubelík benötigt in seiner Einspielung von 1973 immerhin noch 13 Minuten und 36 Sekunden. Und die Tempi der beiden Dirigenten sind nicht langsamer.
Davies’ neuer Vorschlag klingt selbstverständlich prägnanter, keinesfalls aber besser, fast unbeholfener als das Original des erst 24-jährigen Dvořák. Insbesondere die vielen aneinandergereihten, keineswegs sinnlosen musikalischen Ideen, die Brahms einst sehr begeisterten, werden rigoros ausgeblendet. Dvořák selbst hatte bekanntlich keine Gelegenheit mehr, sein Werk zu revidieren, da er es nach der Einreichung zum Kompositionswettbewerb nicht mehr zurückerhalten hat. Die Eingriffe erinnern an die unsäglichen Vorgehensweisen bei einigen Sinfonien Bruckners.
Interpretatorisch hebt sich insbesondere der dritte Satz insofern von anderen Aufnahme günstig ab, da Davies versucht, ihm mit seinen exzellent aufspielenden Musikern – Streicher wie Bläser – mehr Agogik einzuhauchen und die Holzbläser-Solostellen, insbesondere die vielbeschäftigte Oboe, herauszuheben.
Von Davies bearbeitet sind ferner die ebenfalls eingespielten, populären Bagatellen op. 47 aus dem Jahr 1879. Das fünfsätzige Werk, von dem einige Sätze von der damaligen Kritik zu Recht „als wahre Perlen der Kammermusik“ apostrophiert wurden, ist ursprünglich für zwei Violinen, Violoncello und Harmonium geschrieben. Nach der Sinfonie erklingt eine hörenswerte Fassung für Streicher mit beinahe klassischer Harmoniebesetzung mit Flöte, Klarinette und je zwei Oboen, Fagotten sowie Hörnern. Die wirklich feinfühlige Art der Instrumentation erzeugt hierbei einen weichen Klang und wirkt als kontemplativer Ruhepunkt.
Werner Bodendorff