Schumann, Robert
Symphony No. 1/3
Im Lauf der mit jeder Einzelveröffentlichung mehr Furore machenden Gesamteinspielung aller Beethoven-Symphonien wurde gerätselt, womit Paavo Järvi und Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen wohl den nächsten spektakulären Meilenstein würden setzen wollen: Robert Schumann sollte es sein, dessen Sinfonien man sich jetzt mit Haut und Haaren verschreiben will. Das erste Resultat dieses neuen Projekts liegt nun vor, die Einspielung von Schumanns erster Sinfonie, der Frühlingssinfonie, gekoppelt mit der dritten, der Rheinischen.
Vor allem Schumanns erste Sinfonie meint man in dieser fulminanten Neuveröffentlichung gleichsam wie zum ersten Mal zu hören. Die Deutsche Kammerphilharmonie und ihr Chefdirigent Paavo Järvi machen Schumanns musikalische Textur in einer Weise transparent, dass man erst bei solch tiefschürfender Herangehensweise gewahr wird, welche Qualität doch bereits in Schumanns (nach verschiedenen früheren Anläufen) erster und erstmals von ihm auch veröffentlichungswürdig erachteten B-Dur Sinfonie steckt. Nie zuvor konnte ich die langsame Einleitung des Kopfsatzes dank der so atmosphärisch wie differenziert und subtil durchleuchteten Betrachtungsweise der Bremer Interpreten so überzeugend als wirkliche Hinführung auf den eigentlichen Sonatenhauptsatz wahrnehmen, der mit seiner nach außen gerichteten Frische und Energie und der zugleich nach innen gewendeten hoch sensiblen Ausdruckshaltung im Herausarbeiten von musikalischer Gedankenführung und deren feinsinnigem Ineinandergreifen ebenso alles bisher Gehörte weit in den Schatten stellt. An das Larghetto gehen die Interpreten mit größter Genauigkeit heran, und doch vermögen sie dabei den Wirkkräften der musikalischen Figuren und der ihr eigenen Bedeutung den nötigen Freiraum zu geben. Viel Licht, ja geradewegs kammermusikalische Sensibilität und Individualität der Stimmführung bringen sie in das klanglich schlank gehaltene Scherzo. Mit höchster Plastizität, in optimaler Durchhörbarkeit und mit einer eindrucksvollen spieltechnischen Kultiviertheit vermögen Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie die innere Logik des Finalsatzes aufzuschlüsseln.
Nicht weniger ist die herausragende Gestaltungsweise von Schumanns Rheinischer Sinfonie zu preisen: Die in jeder Faser des Musizierens fühlbare sensible Interaktion der Musiker untereinander, der zum Leuchten gebrachte innere Organismus, die klanglich feingeschliffene Raffinesse, ohne sich dabei im Detail zu verlieren, dies alles führt auch Schumanns Es-Dur-Sinfonie auf eine einsame interpretatorische Gipfelhöhe. Nie zuvor dürfte man den tänzerischen Aspekt des Scherzos so rhythmisch biegsam zu hören bekommen haben, nie eine solche Akkuratesse doch zugleich so unbeschwert und leicht vernommen haben. Der vierte Satz (Feierlich) verliert in der Herangehensweise der Deutschen Kammerphilharmonie so ganz die gewöhnlich meist so überaus bedrängende Schwere, und die Interpreten kommen mit ihrer feinsinnig austarierten Balance Schumanns Intention mutmaßlich viel näher. Und mit dem Nachweis eines Entwicklungspotenzials, das sich auch auf kleinstem Raum entfalten lässt, wissen Järvi und Die Deutsche Kammerphilharmonie im Finalsatz zu begeistern.
Thomas Bopp


