César Franck
Symphony in D minor/Rédemption/Le Chasseur maudit
hr-Sinfonieorchester Frankfurt, Ltg. Alain Altinoglu
Diese neue CD ist die erste des hr-Sinfonieorchesters Frankfurt unter seinem neuen französischen Chefdirigenten Alain Altinoglu. Die Aufnahme entstand im vergangenen Jahr zum 200. Geburtstag des im heutigen Belgien als Kind deutscher Eltern geborenen französischen Komponisten César Franck (1822–1890). Sie enthält drei seiner spätromantischen Orchesterwerke, ein großes und zwei kleinere. Das große ist seine beliebte Sinfonie d-Moll, die den langsamen Satz und das Scherzo in einem einzigen Mittelsatz zusammenfasst, nach dem Schema „A – B – A + B“. Sie verwendet das „zyklische Prinzip“, also die thematische Verknüpfung eines mehrteiligen Werks durch ein Netz aus Zitaten und musikalischen Querverweisen zwischen den Sätzen. Die Hauptthemen der ersten beiden Sätze seiner Sinfonie entwickelte Franck aus dem gleichen Motivkern, im Finale werden fast alle Themen der beiden vorausgegangenen Sätze wieder aufgegriffen. Das zweite der beiden kleineren ist die auch noch relativ bekannte sinfonische Dichtung Le Chasseur maudit (wörtlich „Der verfluchte Jäger“) nach der Ballade Der wilde Jäger von Gottfried August Bürger. Franck setzt darin eine Traditionslinie von der „Wolfsschlucht-Szene“ aus der Oper Der Freischütz von Carl Maria von Weber über den „Hexensabbat“ aus der Symphonie fantastique von Hector Berlioz fort.
Das Besondere an dieser Silberscheibe ist aber das, was dazwischenkommt, nämlich die Ersteinspielung einer Originalfassung. Noch unter dem Eindruck des deutsch-französischen Krieges und der blutig niedergeschlagenen Pariser Kommune schrieb César Franck 1872 (also mit 50 Jahren und 150 Jahre vor der Entstehung dieser Aufnahme) die „Poème-symphonie“ Rédemption („Erlösung“) für Mezzosopran, Sprecher, Chor und Orchester auf einen Text von Édouard Blau. Nach dem ersten Teil dieses oratorischen Werks über die Erlösung der Menschheit durch Christus und vor dem zweiten Teil über die erneut notwendig gewordene Erlösung, weil das Christenvolk zuletzt allzu wissenschaftsgläubig geworden und durch politisch-soziale Spannungen zerrüttet war, fügte Franck ein sinfonisches Zwischenspiel ein. Es wurde unmittelbar vor der Uraufführung im April 1873 gestrichen und durch eine gänzlich neu komponierte Fassung ersetzt. Die Urfassung galt lange Zeit als verschollen und wurde erst im Mai 2022 in London uraufgeführt. Das Zwischenspiel überbrückt gewissermaßen die enorme Zeitspanne zwischen den beiden „Erlösungen“.
Der Dirigent entlockt dem vorzüglich disponierten Orchester einen warmen Legato-Klang, der zugleich jederzeit lebendig wirkt. Das Ganze ist ein flammendes Plädoyer für die Notwendigkeit von Rundfunkorchestern.
Ingo Hoddick