Schumann, Robert

Symphonies Nr. 1-4

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics COV 91403
erschienen in: das Orchester 11/2014 , Seite 71

Obwohl 2014 kein Schumann-Jahr ist, hält es eine überraschende Fülle an neuen Gesamteinspielungen der vier Sinfonien bereit. Die Berliner Philharmoniker mit Simon Rattle haben eine vorgelegt, das Scottish Chamber Orchestra mit Robin Ticciati, die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi und auch die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz mit ihrem Chefdirigenten Karl-Heinz Steffens. Im Vergleich zu radikaleren Lesarten aus dem Bereich der historischen Aufführungspraxis oder auch der klassizistischen, auf Durchsichtigkeit fokussierten Version der Berliner Philharmoniker ist die Interpretation der in Ludwigshafen beheimateten Staatsphilharmonie vergleichsweise traditionell – nicht per se ein Nachteil.
Karl-Heinz Steffens geht kenntnisreich und respektvoll mit Schumanns Sinfonien um, die bei aller Klassizität eben doch Musterbeispiele romantischer Orchestrierung und romantischen Mischklangs sind. In diesen Aufnahmen dominieren satter Streicherklang und voluminöse Blechbläser, große Bögen und gemäßigte Tempi – etwa im letzten Satz der ersten, der „Frühlingssinfonie“, oder auch im Schlusssatz der zweiten Sinfonie. Durch den Verzicht auf Extravaganzen gelingt zum Beispiel im Kopfsatz der dritten Sinfonie, der „Rheinischen“, ein schönes Gleichgewicht. Im ersten Satz der ersten Sinfonie ist der Gegensatz von feierlicher Einleitung und dramatischem Allegro molto vivace besonders gut herausgearbeitet. Es gibt keine überreizten Ausbrüche und nur selten Unkonzent­riert­heiten.
Manches überzeugt auf den zwei Superaudio-CDs indes nicht: Man hört kaum einmal ein richtiges Piano, nur selten echtes Forte – und das Figurenwerk wird ohne Entwicklung immer wieder einfallslos abgespult. Akzente wirken manchmal zu schematisch, Begleitthemen treten zu sehr hinter die führende Melodie zurück und verwischen dann Schumanns Polyfonie (etwa im zweiten Satz der ersten Sinfonie). Das Scherzo der zweiten Sinfonie gelingt dafür wieder überraschend spritzig, der vierte Satz der dritten Sinfonie ist so pathetisch getragen, wie man das von einem musikalischen Abbild des Kölner Doms erwarten muss.
Die beste Interpretation des Zyklus ist der vierten Sinfonie d-Moll (chronologisch eigentlich die zweite) vorbehalten, in der Karl-Heinz Steffens auch am differenziertesten mit Tempo und Lautstärke umgeht. Der letzte Satz ist nach feierlichem Beginn furios im Tempo, dazwischen immer auch lieblich und reizend (bis auf ein nachgedrücktes Crescendo) und dokumentiert anschaulich die ganze Bandbreite romantischer Orchesterkunst.
Der Fokus auf Schumanns Sinfonien hat in Ludwigshafen übrigens System und findet in der aktuellen Spielzeit Nachfolger: In den ersten beiden Sinfoniekonzerten stehen sich Brahms’ Sinfonien und Werke von Wolfgang Rihm gegenüber, später Schubert, Beethoven und Dvorák.
Vielleicht wird man nicht lange auf die nächste Gesamteinspielung warten müssen.
Johannes Killyen