Joseph Haydn

Symphonies Nos 90, 91, 92 „Wallerstein-Symphonies“

Bayerisches Kammerorchester Bad Brückenau, Ltg. Johannes Moesus

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Edition Günter Hänssler
erschienen in: das Orchester 01/2020 , Seite 70

Auch in der Provinz ist die deutsche Orchesterlandschaft gut aufgestellt. Das beweist das Bayerische Kammerorchester Bad Brückenau mit seinen attraktiven Konzertspielzeiten der vergangenen Jahre. Die vorliegende Aufnahme entstand bereits 2014, wurde jedoch erst 2019 beim Label Profil /Edition Günter Hänssler publiziert. Offenbar wollte man mit der Veröffentlichung der Haydn-Sinfonien Nr. 90 bis 92 an den Ende der Saison 2018/19 ausgeschiedenen künstlerischen Leiter Johannes Moesus erinnern. In seiner Amtszeit ab 2011 stabilisierte Moesus das Projektorchester und bändigte die häufige Fluktuation, erzählte er in einem Interview. Mit einem konstanten Ensemble konnte er die Qualität beträchtlich steigern.
Einen Namen machte sich Moesus, da er viele Werke des 18. und 19. Jahrhunderts für uns wiederentdeckte. Auf CDs ist er daher häufig dokumentiert. Seine Kombination der Haydn-Sinfonien Nr. 90 bis 92 ist schlüssig, da alle Werke dem Fürsten Krafft-Ernst zu Oettingen-Wallenstein für sein Privatorchester zugedacht waren. Eigentlich eine Zweitverwertung, hatte Haydn die Sinfonien ursprünglich für den Comte d’Ogny und die Pariser „Loge Olympique“ komponiert und dorthin auch die Autografe geliefert. Die Sinfonie bilden auf jeden Fall eine geschlossene Gruppe, die (abgesehen von den Gesamtaufnahmen) nur selten zusammen auf CD erschien. Bekannt aus dem Trio ist nur die „Oxford“-Sinfonie Nr. 92, von der es die meisten Vergleichsaufnahmen gibt. Die weniger populären Vorgängerinnen Nr. 90 und 91 sind aber ebenfalls genialer Haydn der später 1780er Jahre.
Hier erklingt die Musik auf einem guten Mittelweg zwischen zu raschen und zu schleppenden Tempi. Auch der Kontrast zwischen lauten und leisen Passagen ist sorgsam ausbalanciert. Alles wirkt stimmig und homogen. Die fragende Adagio-Einleitung zur „Oxford“-Sinfonie etwa wird mit dem nötigem Feinstrich gespielt, während das Allegro vivace kontrolliert und gut phrasiert abgeliefert wird. Sicher gibt es spannendere Haydn-Interpretationen, in diesem Fall zählt eher die Sorgfalt.
Haydn hat seine Musik stets an die Größe des zur Verfügung stehenden Orchesters angepasst. Das macht auch Moesus mit seinen gut 20 Mitglieder umfassenden Kammerorchester: Alle Sinfonien einschließlich „Oxford“ erklingen in den überlieferten „Urfassungen“ ohne Pauken und Trompeten. Das gibt der Musik einen kammermusikalischen Reiz, macht sie noch ein wenig schlanker. Das Ergebnis ist ein absolut ausgewogen musizierter Haydn mit einem einwandfreien Orchester, das einen gewissen Abstand zur Spitze hält.
Da mit den Sinfonien Nr. 90 und 91 zwei lohnende „Entdeckungen“ mit an Bord sind, ist der editorische Wert hoch.
Matthias Corvin