Hartmann, Karl Amadeus

Symphonies Nos. 1-8

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Challenge Classics CC 72583
erschienen in: das Orchester 11/2014 , Seite 72

Acht Sinfonien, sechs Dirigenten, ein Orchester – in dieser Konstellation widmete sich das Netherlands Radio Philharmonic Orchestra aus Hilversum in der Spielzeit 2012/13 einem höchst ambitionierten und ehrgeizigen Projekt: der Aufführung sämtlicher Sinfonien aus der Feder von Karl Amadeus Hartmann im Amsterdamer Concertgebouw. Dort finden seit etlichen Jahren die beim Publikum sehr beliebten „NTR ZaterdagMatineen“ („Samstagsmatineen“) statt, stets mit ungewöhnlichen Programmen. Aber das komplette sinfonische Œuvre von Hartmann? Eine Zumutung – deren Publikumserfolg den Programmmachern rund um Kees Vlaardingerbroek, dem künstlerischen Leiter der vier Konzertreihen des niederländischen Rundfunks, Recht gab.
Nun liegt dieses Mammutprojekt, das live im niederländischen Radio 4 zu erleben war, auf drei CDs vor. Und vom ersten Augenblick an spürt man die Intensität, mit der sich das Orchester auf die ganz persön-
liche musikalische Handschrift Hartmanns einlässt. Sechs der acht Sinfonien sind Livemitschnitte, die 4. und 5. wurden im Studio aufgenommen. Doch alle sind geprägt von einer großen Spontaneität, packender Lebendigkeit, tief empfundenen Emotionen und geradezu subkutaner Wirkung. Wenn Kismara Pessati im Versuch eines Requiems (Dirigent: Markus Stenz) ihren erdigen Mezzo strömen lässt und das Orchester einer großen dynamischen Entwicklung Raum gibt, stellt sich der Gänsehauteffekt unmittelbar ein. Nicht weniger zu Beginn der 3. Sinfonie (Dirigent: James Gaffigan), in der die gediegenen Streicher-Soli zu Beginn eine ganz fahle, introvertierte Atmosphäre entstehen lassen. In der 2. Sinfonie, einem einzigen großen Adagio-Gesang von 16 Minuten, entwickelt James Gaffigan mit dem Netherlands Radio Philharmonic Orchestra ein Maß an Farbigkeit und Dichte, die kaum zu überbieten ist.
Adagio und Scherzo: Diese beiden Satztypen sind charakteristisch für Hartmanns sinfonisches Schaffen – bis hin zur letzten, 1962 vollendeten 8. Sinfonie, in der Dirigent Ingo Metzmacher alle Schroffheiten der Partitur offenlegt, sie aber unter einen großen Bogen spannt, ganz im Sinne Hartmanns, der es als seine Aufgabe betrachtete, die „feindlichen Elemente“ (Polyfonie hier – Ausdruck dort) „miteinander zu versöhnen und einen Ausgleich zu schaffen, bei dem keines über das andere triumphiert“.
Dem Netherlands Radio Philharmonic Orchestra ist ein ganz großer Wurf gelungen mit der Verwirklichung seines ambitionierten Hartmann-Zyklus und dessen Dokumentation. Bleibt zu hoffen, dass dies Dirigenten und Orchester inspiriert, Hartmanns Œuvre die Aufmerksamkeit zu schenken, die es verdient hat.
Christoph Schulte im Walde

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