John Abraham Fisher
Symphonies Nos. 1-6
Petra Žd’árská (Cembalo), Czech Chamber Philharmonic Orchestra Pardubice, Ltg. Michael Halász
Unter den englischen Komponisten soll er der erste gewesen sein, der eine in den Bereich des Unhörbaren reichende Frequenz als ppp notiert haben soll. Ob die vermutlich nicht exakt überprüfte Nachrede wahr ist oder nicht: Schon die Zeitgenossen bemerkten, dass sich im Werk des Londoners John Abraham Fisher (1744-1806) Konvention und Abweichung begegneten. Letzteres gilt vor allem für seine Bühnenstücke, insbesondere für seine mit Shakespeares Originaltext versehene Music for the Opening of Macbeth; Ersteres ist auch heute seinen Violinkonzerten anzuhören, die sich in harmonischer Hinsicht kaum vom Standard abheben.
Überhaupt scheint sich der virtuose Geiger, der mit 21 Jahren sein erstes Solokonzert am King’s Theatre gab, eher an die „Regeln“ des Sonatenhauptsatzes gehalten zu haben. Im Hinblick auf seine sechs Symphonien trifft dieses Urteil nicht zu, denn sie zeugen von einem kunstfertigen, an kontinentalen Vorbildern geschulten Mischstil, der auch überraschend einsetzende Passagen für Bläser kennt und die Stimmenführung in höherer Tonlage ohne Basslinie zulässt. Auffällig ist das ausgeweitete dynamische Spektrum.
Schon die 1. Symphonie E-Dur der tschechischen Aufnahme von Januar 2020 zeichnet sich durch Originalität und Abwechslungsreichtum aus: Ein festlich-auffahrender Gestus wird abgelöst von kontrastierenden Seiteneinsätzen der Bläser, elegante Überleitungen werden hergestellt, es wird eher auf die Innovationen der Mannheimer zurückgegriffen als auf frühklassische Muster. Es ist dabei alles andere als ein Zufall, dass zur Zeit der Entstehung dieser Symphonien Joseph Haydn in London wirkte.
Heraushören lässt sich dies etwa in der 2. Symphonie D-Dur, in der eine prägnant prononcierte Melodiefortschreitung auf der Tonika den Einfluss erkennen lässt. Elegisch und unentschieden zwischen E-Dur und fis-Moll changierend erscheint das Andantino der 3. Symphonie, an das sich ein harmonisch angereichertes Presto assai, das in tänzerisch verkürzten Perioden ausklingt, mit bewegtem Bass anschließt.
Einprägsam und mit offenkundiger Ohrwurmqualität bestrickt das Allegro di molto der 4. Symphonie B-Dur den Hörer, wobei die Entwicklung des aus dem Bass aufsteigenden Motivs eher herkömmlich ausfällt. Fantasievoll sind die Bläserpassagen der 5. Symphonie D-Dur gestaltet. Der langjährige Dirigent der Wiener Staatsoper, Michael Halász, spielt den unterschiedlichen Charakter der Symphonien deutlich aus.
Leider geht der Part der als Solistin in Tschechien gut bekannten, aufstrebenden Cembalistin Petra Žd’árská im zwar klangschönen, aber hallbegrenzten Raum des Kulturhauses von Pardubice häufig unter, obwohl das Textheft der CD ihre prominente Mitwirkung ausdrücklich hervorhebt. Dennoch: Es war höchste Zeit, hier die Stimme eines wenig beachteten Nachbarn Haydns vernehmbar zu machen.
Hanns-Peter Mederer