Ludwig van Beethoven
Symphonies Nos. 1 & 2
Westdeutsche Sinfonia, Ltg. Dirk Joeres
Die Rezeptionsgeschichte der Beethovenschen Sinfonien ist zugleich eine der verfügbaren Medien. Dienten im 19. Jahrhundert noch vierhändige Klavierauszüge dem Kennenlernen der Werke dort, wo keine orchestralen Aufführungen stattfanden, so hat der Siegeszug von Schallplatte und CD im 20. Jahrhundert Beethovens sinfonische Musik universell verfügbar gemacht. Die bildlichen Möglichkeiten der DVD kommen inzwischen hinzu, ob sie nun lediglich die Optik des Konzertsaals wiedergeben oder dazu dienen, Zusatzinformationen zur erklingenden Musik zu liefern.
Die letztere Möglichkeit nutzt die vorliegende Edition von Beethovens ersten zwei Sinfonien als Start einer geplanten Gesamtveröffentlichung von dessen komplettem sinfonischen uvre unter dem Titel Beethoven today. Auf einer beigefügten Bonus-DVD führt Dirk Joeres, der Dirigent der Einspielung, anhand von Klangbeispielen in die beiden Werke ein. Auch Kenner, die sich bereits mit Beethovens Stil und Kompositionstechnik auseinandergesetzt haben, werden aus Joeres Ausführungen Gewinn ziehen, die deutlich machen, worin sich Beethovens Sinfonien von den vergleichbaren Werken Mozarts oder Haydns abheben.
Sporadisch geht Joeres auch auf Beethovens Skizzen ein; spannend wäre es gewesen, wenn dieser Aspekt weiter vertieft worden wäre, so wie es einst Leonard Bernstein an Beethovens Fünfter exemplifiziert hat. Ein zusätzliches Manko ist es, dass die technischen Möglichkeiten der DVD nicht ausführlicher genutzt werden: So kann man Joeres Erläuterungen nur in Englisch folgen und wird, was die deutsche Fassung betrifft, doch wieder nur auf die Übersetzung im beiliegenden Booklet verwiesen.
Wichtiger bleiben freilich die Liveeinspielungen von Beethovens Musik, bei denen Dirk Joeres die Westdeutsche Sinfonia Leverkusen leitet, ein 1987 gegründetes Ensemble aus führenden Musikern nordrhein-westfälischer Orchester. Beethovens sinfonische Erstlinge erleben hier eine Interpretation auf Höhe des gegenwärtigen Beethoven-Verständnisses. Der Orchestersatz, der eher bläserbetont erklingt, wirkt transparent, ja im Kopfsatz der Ersten mit seinen kurzgliedrigen Instrumentendialogen geradezu kammermusikalisch lebendig.
Dynamisch, artikulatorisch sowie in der Phrasenbildung halten sich Joeres und seine Musiker eng an die Partitur Beethovens, was kleinere agogische Freiheiten nicht ausschließt, wenn etwa im Menuett-Trio der Ersten der Elan bewusst gegenüber den Rahmenteilen gebremst wird. Meist aber geht die Westdeutsche Sinfonia mit großem Schwung ans Werk, ohne in Übertreibungen zu verfallen, wie sie in manch zugespitzter Interpretation der historisch informierten Aufführungspraxis zu erleben sind. Indiz hierfür: der fast schon wieder zu dezente Einsatz der Pauke. Was noch auffällt: Joeres lässt sein Orchester (außer bei Scherzo-Reprisen) alle Wiederholungszeichen in Beethovens Partitur ernst nehmen.
Gerhard Dietel