Wolfgang Amadeus Mozart

Symphonies No. 39-41

Kammerakademie Potsdam, Ltg. Antonello Manacorda

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Sony Classical
erschienen in: das Orchester 04/2022 , Seite 71

Was die drei Daponte-Opern für die Gattung des Musiktheaters, das sind die letzten drei Sinfonien Mozarts für die Instrumentalmusik: Der Salzburger, seit 1781 in Wien ansässig, stellt die Gattung Sinfonie auf völlig neue Füße. Innerhalb kurzer Zeit im Sommer 1788 entstanden, bilden die drei Sinfonien in Es-Dur, g-Moll und C-Dur (letztere bekannt unter dem später hinzugedichteten Namen „Jupiter-Sinfonie“) so etwas wie das neue Fundament, auf dem dann Beethoven seine musikalischen Tempel baute, bis hin zu seiner gewaltigen Neunten. Aber auch der Urvater der Gattung, Joseph Haydn, komponierte nachher anders als vor diesem Dreierpack.
Doch was macht diese Mozart-Werke so neu, so anders? Sicher: Aus dem anfänglichen Sumpf musikalischer Unterhaltungsmusik ist die Sinfonie – dank Haydn – längst zum Mittel und Objekt geistiger Auseinandersetzung gereift. Aber Mozarts späte Trias übertrifft dennoch alles bisher Geschriebene – vor allem an Komplexität. Dabei schreibt Mozart komplett genre-übergreifend: Diese Musik klingt genauso sinfonisch wie theatralisch oder kammermusikalisch, und das oft im schnellen Wechsel.
Die langsame Einleitung der Es-Dur-Sinfonie könnte jede dramatische Oper eröffnen, und im Ersten Satz der „Jupiter-Sinfonie“ zitiert Mozart aus einer Buffo-Oper zwischen düsteren Mollpassagen, die sich dann sprunghaft wieder aufhellen. Den Zeitgenossen muss das als wildes Durcheinander vorgekommen sein und es wird im Schlusssatz noch durch formale Kühnheiten übertroffen, wenn Sonatenhauptsatz-Dispute und kirchenmusikalische Fuge miteinander verwoben werden. Das war völlig neu (bis auf ein paar Versuchsvor-gänger bei Haydn freilich).
Die Kammerakademie Potsdam unter ihrem Chefdirigenten Antonello Manacorda stellt diese letzten Mozart-Sinfonien als drei Monolithe dar, wobei jede für sich ein Kraftwerk an Inspiration ist, aber auch alle zusammen einen ganz eigenen Kosmos bilden. Die Vertrautheit von Musikern und Dirigent spricht hier aus jeder Note. Traumwandlerisch führt Manacorda durch die Klippen der Partituren, lässt den Streichern ebenso Freiheiten, wie er die Bläser hart an die Kandare nimmt. Und dann spielen diese plötzlich so leicht und frei, dass man glauben könnte, sie haben die Musik gerade selbst erfunden. Herrlich!
Zum 20-jährigen Bestehen der Kammerakademie Potsdam ist also eine ganz interessante neue Einspielung dieser unbestreitbaren Konzerthits gelungen. Doch das Angebot gerade dieser drei Sinfonien ist riesig und reicht von historischen Klassikern bis zu fast experimentellen Neuinterpretationen mit Originalinstrumenten: Das macht eine Aufnahme, die nun kein besonderes interpretatorisches Alleinstellungsmerkmal aufweist, im Handel sicher nicht leicht verkäuflich.
Ein Dokument solider musikalischer Arbeit bleibt diese CD dennoch und zeigt die Kammerakademie Potsdam auf hohem instrumentalen Niveau.
Matthias Roth