Dmitri Shostakovich
Symphonies 8, 9, 10
Berliner Philharmoniker, Ltg. Kirill Petrenko
Der 1972 in Omsk geborene Dirigent Kirill Petrenko ist einer der kompetentesten Interpreten der Werke von Dmitri Schostakowitsch. Mit den Berliner Philharmonikern hat Petrenko die Sinfonien Nr. 8, 9 und 10 des Komponisten in den Jahren 2020 und 2021 aufgenommen. Diese Musik liegt jetzt auf zwei CDs und einer Blu-ray Disc vor, die Mitschnitte aus der Berliner Philharmonie enthält (während des Corona-Lockdowns nicht in Konzerten, sondern im leeren Saal gespielt) sowie ein Interview mit dem Dirigenten. Als Motto dieser Produktion wurde die Überschrift „Protokolle von Gewalt und Leid“ gewählt und damit direkt Bezug genommen auf Schostakowitschs Leben unter vielfältigen Repressionen in der Zeit der Herrschaft Stalins bis 1953.
Petrenko nennt die während des Zweiten Weltkriegs entstandene achte Sinfonie „ein unglaubliches Seelendrama“. Sie zeige „die Künstlerpersönlichkeit im Spannungsverhältnis der äußeren und inneren Bedrohung“: durch den Kriegsgegner Deutschland und durch die stalinistische Diktatur. Der Komponist sei stets ein Humanist gewesen, habe an das Positive im Menschen geglaubt. Die im Übrigen sehr umfangreiche, in fünf Sätzen gebaute Achte – mit über einer Stunde Aufführungsdauer das längste der hier besprochenen Werke – sei stark von Gustav Mahler beeinflusst, bemerkt Petrenko. Schostakowitsch habe hier eine ähnliche Meisterschaft erreicht wie sein Idol in der Spätromantik.
Aus kraftvoll vorgestellter Thematik entwickelt sich im über 25 Minuten langen Kopfsatz ein Adagio mit souveränem Ausdruck. Nach einer langsamen Steigerung zu heftigen Paukenschlägen geht es zum Allegro-Abschnitt, der fast unerwartet in ein lyrisches Englischhorn-Solo mündet. Diese Musik steht in ihrer Gedanken- und Seelentiefe der von Mahler nichts nach. Einen Kontrast bildet das tänzerische Allegretto des zweiten Satzes, dem ein weiteres markantes Allegro non troppo folgt. Mit machtvollem Schlagwerk beginnt das bald zur Ruhe kommende Largo. Heiter und spielerisch wirkt das die Sinfonie abschließende Allegretto.
Die ebenfalls fünfsätzige neunte Sinfonie beginnt locker-tänzerisch mit einem zügigen Allegro, das in Solopassagen – etwa mit dem Piccolo – sehr humorvoll wirkt. Die Klarinette führt – ebenfalls solo – in ein wie ein Andante wirkendes Moderato. Die insgesamt heitere Sinfonie bietet danach ein quirlig-ausgelassenes Presto, dem ein machtvoll mit tiefem Blech eingeleitetes Largo folgt. Ein vom Fagott angerissenes Allegretto rundet das am Ende temporeiche Werk ab. Die mit einem nachdenklichen Moderato beginnende 10. Sinfonie gibt sich ernster als ihre Vorgängerin. Auch in ihr sprechen wohlgestaltete solistische Schlaglichter den Hörer unmittelbar an.
Günter Buhles