Henze, Hans Werner

Symphonies 7 & 8

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Wergo WER 6721 2
erschienen in: das Orchester 01/2009 , Seite 70

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin schätzt seinen Chefdirigenten Marek Janowski (geb. 1939) sehr – dass es ihm seinen derzeitigen Posten auf Lebenszeit angetragen hat (das Orchester 11/08, S. 44), ist ein deutliches Zeichen. So spürt man die enge und gute Zusammenarbeit zwischen Dirigent und Orchester auch in dieser ersten Folge der Gesamteinspielung der Sinfonien Hans Werner Henzes. Keine der beiden hier vorgelegten Sinfonien erscheint in Weltersteinspielung – die 7. Sinfonie wurde bereits 1992 durch das City of Birmingham Symphony Orchestra unter Simon Rattle eingespielt (EMI CDC 7 54762 2; eine weitere Einspielung mit dem SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter Sylain Cambreling erschien 2002 bei Hänssler 93.047), die Einspielung der 8. Sinfonie mit dem Kölner Gürzenich-Orchester unter Markus Stenz wurde rund sechs Wochen vor dieser CD vorgelegt (Phoenix Edition 113).
Henzes 7. Sinfonie entstand 1983/84 als Auftragskomposition der Berliner Philharmoniker und wurde unter Gianluigi Gelmettis Leitung uraufgeführt. Henze selbst beschreibt sie als diejenige seiner Sinfonien, „die dem Modell der klassischen Symphonie am nächsten kommt“. Das viersätzige, durch Hölderlin inspirierte Werk mit der Satzfolge „Tanz – Ruhig bewegt – Unablässig in Bewegung – Ruhig, verhalten“ erlebt eine lebhaft-klare Wiedergabe. Auffallend ist, dass im Vergleich zu Rattles Einspielung die schnellen Sätze geringfügig verhaltener, die langsamen Sätze hingegen teilweise deutlich schneller dargeboten werden; dies bedeutet jedoch nicht, dass die „starke, unverstellte Emotionalität“, die in die Sinfonie eingeflossen ist, egalisiert würde – das Finale etwa erweist sich als deutlich mehr als eine farbintensiv-expressive Fantasie über Hölderlins Gedicht Hälfte des Lebens, wobei der zweite Teil des Satzes „quasi die Negation des ersten darstellt“ (Thomas Schulz).
Erst 1993 fand die Uraufführung der 1992/93 für das Boston Symphony Orchestra komponierten 8. Sinfonie unter Seiji Ozawa statt. Wie bei fast allen seiner früheren Sinfonien kehrt Henze hier zur Dreisätzigkeit zurück und lässt sich einmal mehr durch Shakespeares Sommernachtstraum inspirieren. Allegro moderato – Allegramente con comodo tenerezza e ballabilità – Adagio sind die Tempoangaben dieses Werks, das Henze als „ganz leichtfüßig und melodienreich“ bezeichnete. Musikalisch erhält der Hörer erst im Schlusssatz die Schlüssel zu der Komposition, die eine Art umgekehrtes Variationsprinzip verfolgt: Das thematische Material, das in den vorherigen Sätzen verarbeitet wurde, erklingt in seiner Reinform erst hier. Janowski erweist sich auch hier als Henze-Dirigent allerhöchsten Ranges.
Jürgen Schaarwächter