Dvorák, Antonín

Symphonies 4 & 8

Staatsphilharmonie Nürnberg, Ltg. Marcus Bosch

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics COV 91412
erschienen in: das Orchester 09/2015 , Seite 79

Endlich einmal eine nicht alltägliche Zusammenstellung: die Sinfonien vier und acht von Dvorák, welche die Staatsphilharmonie Nürnberg unter der Leitung von Marcus Bosch vergangenes Jahr in ihrer ehrwürdigen Meistersingerhalle aufgenommen haben. Im Temperament recht unterschiedlich: die eine 1874 komponiert, vorwärtsdrängend, jung, vor Selbstbewusstsein strotzend, in welcher der 33-Jährige – Wagners Tonsprache langsam überwindend – endlich seinen persönlichen Stil gefunden hatte; die andere entstand 1889, ist lyrisch und reich an Melos, beinahe gelassen und souverän im Umgang mit leuchtenden Stimmungen. Gemeinsam ist beiden ein Variationensatz, einmal im langsamen Satz der vierten d-Moll op. 13, das andere Mal ist es der Finalsatz der G-Dur-Sinfonie. Insbesondere in der Vierten lassen sich Marcus Bosch und seine Musikerinnen und Musiker viel Zeit, die die einzelnen Sätze – bis auf das Scherzo – mit großem Spannungsbogen auskosten. Sie filtern die Tonsprache des Tschechen fein heraus, lassen aber auch Raum für dessen Wagner-Bekenntnis im langsamen Satz.
Im Vergleich dazu nahm sich beispielsweise István Kerstész mit dem Londoner Symphony Orchestra aus den 1980er Jahren zwar im Kopfsatz genauso viel Zeit, er dirigierte die übrigen Sätze jedoch stringenter, huscht insgesamt jedoch sehr spukhaft durch sie hindurch. Dagegen dirigierte Rafael Kubelík, der in den frühen 1970ern mit den Berliner Philharmonikern ebenso sämtliche Sinfonien einspielte, die bis heute als Referenzaufnahmen gelten, zwar den Kopf- und den Finalsatz sehr dicht und rascher als die vorliegende Aufnahme; die übrigen beiden wirken dafür gelassener, im Scherzo leuchtet gar Pathos durch, worauf Bosch wohl aber bewusst verzichtete. Indes wirken beide live aufgenommene Einspielungen eigenartig unplastisch, beinahe zweidimensional, was jedoch der Aufnahmetechnik anzulasten ist. Allerdings trägt dies wenig zu einer überzeugenden Interpretation bei. Kaum zu glauben, da die Meistersingerhalle über eine hervorragende Akustik verfügt. Auch deswegen will die Achte op. 88 nicht so richtig überzeugen. Außerdem wirkt sie auf sehr hohem Niveau in Teilen merkwürdig unruhig und unausgeglichen. Stärker noch als bei der Vierten ist der Musikliebhaber bei jener zum Vergleichen geneigt. So fällt auch hier die unterschiedliche Auffassung der Tempi auf, die selbstverständlich Einfluss haben auf Atmosphäre und Inhalt.
Bis auf den letzten Satz, den Kubelík mit zupackender Verve dirigiert, atmen die übrigen Sätze ländliche Ruhe. Der eine oder andere mag – obwohl die Bezüge zu England lediglich verlegerischer Natur sind – von einer englischen Noblesse und distinguierter Feinheit sprechen, die vorliegender Aufnahme zu fehlen scheint, was sich insbesondere im langsamen Satz – einem der schönsten langsamen Sätze des Komponisten – bemerkbar macht. Trotz Einschränkungen, die sich auch aus den Vergleich mit älteren Aufnahmen ergeben, lohnt sich allein wegen der selten gehörten Vierten, diese CD zu erwerben.
Werner Bodendorff