Robert Schumann

Symphonies 1 and 4

Gürzenich-Orchester Köln, Ltg. François-Xavier Roth

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Myrios Classics
erschienen in: das Orchester 12/2020 , Seite 69

1841 komponierte Robert Schumann seine ersten beiden vollständigen Symphonien, nämlich die
Nr. 1 B-Dur op. 38, genannt „Frühlings- Symphonie“, und die erste Fassung seiner zehn Jahre später überarbeiteten, sogenannten Nr. 4 d-Moll op. 120, die also eigentlich die Nr. 2 ist, auf dieser neuen CD in der Ausgabe von Jon Finson.
Für die Erstfassung trat als erster Johannes Brahms ein, als er an Clara Schumann schrieb: „Jeder, der sie sieht, ist meiner Meinung, dass die Partitur durch die Umarbeitung nicht gewonnen hat; an Anmut, Leichtigkeit, Klarheit gewiss verloren.“ In einem späteren Brief an den musikalischen Leiter der Kölner Gürzenich-Konzerte, Franz Wüllner, konkretisierte er sein Urteil über das Werk in d-Moll: „Dass Schumann es später so schwer behängt hat, dazu mag ihn das schlechte Düsseldorfer Orchester verführt haben, aber alle seine schöne, freie und anmutige Bewegung ist in dem schwerfälligen Kleid unmöglich geworden.“ Brahms überzeugte Wüllner, mit seinem Kölner Orchester 1889 erstmals wieder die ursprüngliche Fassung der Vierten aufzuführen.
Auch der aktuelle Gürzenich-Kapellmeister und Kölner GMD François-Xavier Roth bevorzugt die Urfassung. In ihrer kargeren Instrumentierung sei sie die „radikalere“, verlange deshalb vom Orchester auch eine größere Hingabe bei der Gestaltung von Crescendi, Phrasen und Entwicklungslinien. Hier kann man nun hören, wie Roth diese beiden Werke mit dem Gürzenich-Orchester in zwei Konzertprojekten aus dem Schumann-Schwerpunkt der Saison 2018/19 in der Kölner Philharmonie aufführte.
Wohl selten wurden die beiden Symphonien von 1841 mit so sorgfältiger Artikulation, Binnendynamik, Phrasierung und Tempowahl aufgenommen. Der „Frühlingsdrang, der den Menschen wohl bis in das höchste Alter hinreißt, und in jedem Jahre von Neuem überfällt“, in dem Schumann nach eigener Aussage seine Erste schrieb, und der Feuerstrom der Erstfassung der Vierten reißen meist mit. Agogik und Vibrato werden weitgehend dezent und gezielt eingesetzt.
Dass es leider nicht ganz zu Referenzeinspielungen reicht, liegt an wenigen kleinen Irritationen. So ist nicht jede Betonung und nicht jedes Accelerando aus der Partitur oder aus der Aufführungspraxis zu erklären. Obwohl durchaus ein polyfones Bewusstsein spürbar wird, könnte vieles noch transparenter klingen, insbesondere manche Mittelstimmen und die Pauken prägnanter. Die Streicher sind insgesamt zu dominant, vielleicht zu stark besetzt. Das Gewandhausorchester Leipzig, an das Schumann damals dachte und das auch die Uraufführung der beiden Symphonien von 1841 spielte, umfasste zu dieser Zeit nur um die 50 Musiker und die Streicher waren nur halb so zahlreich wie heute normalerweise üblich.
Ingo Hoddick