Schumann, Robert

Symphonies 1-4

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 777 536-2 (SACD)
erschienen in: das Orchester 03/2011 , Seite 70

Bei aller Wertschätzung Schumanns hält sich, was die Orchestermusik angeht, beharrlich der Vorwurf einer mängelbehafteten Instrumenta­tion. Und angesichts Frank Beermanns neuer Gesamteinspielung der vier Schumann-Sinfonien möchte man meinen, er habe es geradezu darauf angelegt, die Schwächen von Schumanns Orchestersatz zu dokumentieren. Schon das einleitende „Andante un poco maestoso“ des Kopfsatzes von Schumanns Erstling, der Sinfonie B-Dur op. 38, bringt eine unnötig auf-gequollene Massivität ins Spiel, die alle Durchsichtigkeit vermissen lässt. Auf der anderen Seite eignet den dynamisch zurückgenommenen Passagen, wenn auch recht durchsichtig gehalten, etwas seltsam Gekünsteltes, so mechanisch starr wird hier auf metrische Präzision geachtet.
Frank Beermanns gestalterischer Ansatz zielt auf äußerste Genauigkeit, auch wenn ihm das mit der Robert-Schumann-Philharmonie nicht immer völlig passgenau gelingt, doch solch gestanzter Prägnanz geht bedauerlicherweise öfters ein Stück weit die Beseeltheit verloren. Das Larghetto der B-Dur-Sinfonie darf nicht frei ausschwingen, das Scherzo zeigt wenig Schwärmerisches und Mitreißendes. Und das Finale verwaltet Frank Beermann ohne jede Notwendigkeit wie ein Schaustück eines maschinellen Prozesses.
Auch in der zweiten, der C-Dur-Sinfonie op. 68, geht deren langsamer Einleitung des Kopfsatzes (Sostenuto assai) das ihr innewohnende Mysterium weitgehend ab, die Einleitung führt nicht hin zum nachfolgenden Allegro ma non troppo, sondern ist diesem gewissermaßen nur vorgeschaltet. Und von der Fantastik und der Emphase, die dem Satz zueigen ist, hört man so gut wie nichts, da Frank Beermann hier mit seinem Anliegen eines präzisen Zusammenhalts ein wenig den Blick aufs Ganze verliert. Das Trio des Scherzo verflüchtigt sich in höchstem Tempo zu ausdrucksloser Mechanik und Schumanns kontrapunktische Satzkünste verarmen im Adagio espressivo zu einem nüchternen Studiencharakter.
Die Sinfonien B-Dur und C-Dur waren in einer jüngeren Aufnahmesitzung im Februar 2010 eingespielt worden, die beiden anderen sind bereits im Oktober 2009 aufgenommen worden. Und diese beiden, die Es-Dur-Sinfonie op. 97 und die d-Moll-Sinfonie op. 120, lassen die ein wenig ältere Sichtweise Frank Beermanns auf Robert Schumann in einem vergleichsweise etwas günstigeren Licht erscheinen. Zwar ist dem Dirigenten bereits hier – so etwa im Kopfsatz der Es-Dur-Sinfonie – anzulasten, dass sein Elan sehr berechnend daherkommt, doch die kritischen Einwürfe halten sich noch im Rahmen, wenn man sich etwa im „feierlichen“ vierten Satz des Werks mehr Kontrastschärfe und weniger Nivellierung der archaischen Kraft der Satzmuster des Alten Stils gewünscht hätte. Doch schon in der d-Moll-Sinfonie zeichnet sich in vielfältiger Weise ab, worauf Beermann hinarbeitet, eine locker erscheinen wollende, ausdrucksmäßig versachlichte und schneidig gehaltene Prägnanz, der das Moment emotionaler Wärme leider allzu oft abhanden kommt.
Thomas Bopp