Schubert, Franz

Symphonien 1-8

Dialog & Epilog, 6 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Tudor 1610
erschienen in: das Orchester 07-08/2011 , Seite 75

Der spontane Gedanke, welcher dem stolzen Besitzer oder der freudigen Besitzerin der sechs neuen CDs unter anderem mit den gängigen Sinfonien Schuberts in den Sinn kommt, ist: wohin damit? Diese Verpackung passt wirklich in kein herkömmliches Bücher-, ganz zu schweigen in ein knapp gehaltenes CD-Regal. Vielleicht eine neue Verkaufsmasche, den länglichen Schubert-Schuber sichtbar und stets griffbereit liegen zu haben? Allerdings ist er dafür wiederum zu schmucklos.
Eine weitere Frage: Haben wir „unseren“ Schubert nicht alle schon? Wozu eine neue Gesamteinspielung, die jedoch die Fragmente – D 729 oder 936A in einer traditionellen Bearbeitung beispielsweise – nicht einbezieht? Immerhin endet die Unvollendete in der Aufnahme erst nach dem neuntaktigen Torso des Scherzos, was vielleicht für manchen Neuland sein dürfte. Zumal es sich um eine „Gesamtausgabe“ aller bereits in den Jahren 2003 und 2006 (für die Große C-Dur) aufgenommenen Sinfonien handelt.
Interessant wird diese Einspielung aber durch die Einbeziehung zweier CDs mit den Titeln „Dialog“ bzw. „Epilog“, welche jedoch als Einzel-CDs auch schon in den Jahren 2003 und 2004 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Diese Sammlung enthält Werke moderner Tonkünstler, die sich kompositorisch eingehender mit dem Wiener Meister beschäftigt haben und ihre eigene Klangwelt darin künstlerisch verwoben. So finden sich auf der „Dialog“-CD das zeitweise Richard-Strauss-romantische, zeitweise modern schwebende Lied für Orchester von Jörg Widmann, die Erscheinung, eine „Skizze über Schubert“ für neun Streicher von Wolfgang Rihm, Bruno Mantovanis störklängereiches Mit Ausdruck für Bassklarinette und Orchester sowie Dieter Schnebels Schubert-Fantasie für geteiltes großes Orchester. Den Schubert-„Epilog“ bildet Luciano Berios „Bearbeitung“ der Sinfonie D 936A mit modernen, den Fluss eher hemmenden Retuschierungen mit dem Titel Rendering per Orchestra, die Metamorphosen über ein Menuett von Schubert (D 600) für 10 Instrumente von Aribert Reimann, Hans Werner Henzes Orchesterfantasie Der Erlkönig und die zum Teil seriell bearbeiteten Vier Schubert-Chöre von Hans Zender.
Beim Hören drängt sich einem die Frage auf, ob die modernen Bearbeitungen, welche bis in das Jahr 1978 zurückgehen und damit den jeweiligen Zeitgeschmack sichtbar gemacht haben – wie beispielsweise den wenig ausdrückenden Epilog zu Rosamunde op. 33 mit erkennender Motivik von Kurt Schwertsik –, zukünftig genauso attraktiv bleiben werden wie das Schubert’sche Original.
In einem über 130-seitigen, dreisprachigen, querformatigen und bebilderten Riesenbooklet – mit einem Editorial zusätzlich in italienisch und japanisch – gibt Alfred Beaujean Auskunft über die Werke, das Orchester, den Dirigenten sowie allgemein zu dem Bamberger Schubert-Projekt. Die durchgängige, undifferenzierte „ss“-Schreibung bei den langvokaligen Wörtern – dem in Zürich beheimateten Schweizer Label Tudor geschuldet! – ist gewöhnungsbedürftig.
Werner Bodendorff