Anton Bruckner
Symphonie Nr. 9 in d-Moll
Bamberger Symphoniker, Ltg. Jakub Hrůša
Die Bamberger Symphoniker sind in den vergangenen Jahren in Bezug auf die Symphonien Anton Bruckners relativ wenig in Erscheinung getreten. Zuletzt ließ eine Einspielung der „Romantischen“, der 4. Symphonie in Es-Dur, aufhorchen und zwar mit allen drei Versionen nebst Entwürfen auf insgesamt vier CDs. Vorliegende CD der Neunten stammt aus dem November 2022. Diese wurde in der Konzerthalle Bamberg aufgenommen und erschien nun rechtzeitig zum 200. Geburtstag des Komponisten.
Der Kopfsatz kommt zunächst sehr feierlich daher, eher langsam und gemessen, die Tempi sind hier noch bestens austariert. Dennoch scheint im Laufe des Satzes kein göttlicher Funke zu einem echten Bruckner-Erlebnis überzuspringen. Manches scheint zaghaft, unausgewogen kommen Stimmenverläufe daher und damit verbunden deren Transparenz, insbesondere der zweiten und dritten Solostimme der Hölzer und der Tenorhörner. Es scheint, als ob Jakub Hrůša seine Symphoniker an kurzer Leine führen und somit einen üppigen und ausladenden Bruckner-Schmelz nicht zulassen will, womit nicht zuletzt das farbig-tonale und harmonische Breitband-Cinemascope nicht zum Leuchten kommt.
Der Mittelsatz besticht durch das bekannte, derbsaftige und wilde Scherzo grobbäuerlicher Machart. Jeder darf hier zulangen, alles aus den Saiten bzw. aus dem Blech und Holz herausholen. Die Bamberger machen dies wirklich mit voller Leidenschaft und überzeugend. Allerdings fällt das Trio wiederum in die andere Richtung. Zu schnell und zu hektisch fallen die Passagen aus, die Einsätze der Hölzer wirken zu huschig, sind kaum nachvollziehbar, insbesondere die sonst so brillant aufspielenden Flöten sind hier mit ihren fürchterlich schnellen Sechzehnteln die Gehetzten, die Mitleid verdienen. Jakub Hrůša verwandelt diesen an sich sonnigen Satz zu einem stürmischen „Vom-Winde-verweht“.
Im überirdisch schönen und großen Adagio scheint der tiefgläubige Bruckner in inniger Zwiesprache mit seinem Schöpfer zu sein. Der Tübinger Philosoph Ernst Bloch sprach in diesem Zusammenhang von einem wahren Finale der Symphonie, einem Kehraus, der zur Musik hinführe, worin Bruckner die ihm innewohnende Verhaltenheit hervorhebe, welche zugleich Tiefe bedeute. Wichtige Aspekte in Bruckners Kompositionen, mit denen sich Dirigenten wie einst Karajan oder aktuell Christian Thielemann intensiv auseinandergesetzt haben. Und es ist gerade dieses spezielle Bruckner’sche Pathos, das zur Erfüllung seines Denkens führt. Dieses wegzudenken, seine Wahrheit zu leugnen – Jakub Hrůša scheint dieses zu tun –, nimmt diesem Satz und damit der Symphonie die Großartigkeit und ein Stück Rätselhaftigkeit.
Werner Bodendorff