Beethoven, Ludwig van

Symphonie Nr. 9 d-Moll op. 125

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Oehms OC 525
erschienen in: das Orchester 06/2006 , Seite 84

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken, das unter dem polnischen Dirigenten Stanislaw Skrowaczewski bereits eine ganze Reihe von CD-Einspielungen vorgelegt hat – darunter einen viel beachteten Zyklus der Symphonien Anton Bruckners –, arbeitet zurzeit an einer Gesamteinspielung der neun Beethoven-Symphonien unter Skrowaczewski. Die Doppel-CD mit den Symphonien Nr. 2 und 3 und die CD mit der Neunten klingen dabei ausgesprochen viel versprechend und verheißen einen interessanten und trotz der schier unüberschaubaren Fülle von Beethoven-Einspielungen in jedem Fall konkurrenzfähigen Zyklus. Dabei verfolgt Skrowaczewski, der seit 1994 erster Gastdirigent des saarländischen Klangkörpers ist, kein ausgesprochen exzeptionelles oder sozusagen „modernes“ Konzept in der Folge der mehr denn je verfolgten historisch informierten Aufführungspraxis bei Beethoven. In seinem Beitrag im Booklet setzt sich der Dirigent zum Beispiel durchaus kritisch mit Beethovens Metronomangaben auseinander, die ihm bedenkenswert, aber keineswegs verbindlich erscheinen.
Skrowaczewskis Beethoven ist denn auch ebenso wenig von spätromantischer Tradition wie von historisierenden Idealen bestimmt. Der Dirigent folgt stattdessen in erster Linie grundlegenden und unangefochten geltenden musikalischen Tugenden wie Klarheit und Durchhörbarkeit der Struktur, Logik der Form, klangliche Homogenität und Prägnanz im Ausdruck.
Diese allerdings werden von ihm und dem ausgezeichnet spielenden Saarbrücker RSO in hoch kultivierter Weise ausgeprägt. So transparent bis in das Geflecht der Nebenstimmen hinein und so ausgefeilt im kammermusikalischen Dialog zwischen den einzelnen Stimmen und Klanggruppen sind diese nun wahrlich viel gespielten Werke nicht oft zu hören. Auch eine große dynamische Bandbreite und beredte Akzentgebung kennzeichnen diese außergewöhnlich facettenreichen Beethoven-Interpretationen.
Hinzu kommt im Fall der D-Dur-Sinfonie op. 36 ein impulsiver, ja schwungvoller Gestus von animierender Frische und Lebendigkeit und im Fall der Eroica eine bewegende dramatische Intensität, die freilich nie pathetische Züge annimmt, sondern stets die Klassizität der Form wahrt. Der gesteigerte Ausdruck des Werks kommt unvermittelt zur Wirkung, ist aber immer vermittelt mit der genauen und überlegten Vergegenwärtigung des Notentextes. Mit Ausnahme des Trauermarschs ist Skrowaczewski von den Metronomangaben Beethovens so sehr weit doch nicht entfernt. Seine Tempowahl ist überhaupt fast immer von sehr flüssigen Zeitmaßen bestimmt.
Das gilt auch für die Aufnahme der neunten Symphonie, die völlig unpathetisch, ja fast schon schlicht und leicht im Ton ist, aber die Größe und Tiefe der Musik gerade deshalb unverstellt offenbart. Selbst das ruhig angelegte Adagio hat einen natürlichen Fluss. Der Kopfsatz und das Scherzo sind geradlinig angelegt und sehr pointiert in Rhythmus und Artikulation, und im Finale mit einem vorzüglichen Solistenquartett und ebensolchen Chor (dem des Bayerischen Rundfunks) gelingt es Skrowaczewski, die Partitur im wörtlichen und im übertragenen Sinn bestechend hellsichtig zu entfalten. Da hat alles eine klare, wohlgerundete Form und zugleich eine zwingende Deutlichkeit im Ausdruck.
Es sind Einspielungen mit Feinschliff und Feuer, klangschön und glasklar. Sie künden von einer intimen Werkkenntnis und einer jederzeit sinnfälligen interpretatorischen Vorstellung. Auch der orchestrale Standard ist exzellent. Es scheint so, als wollte das Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken (SR) vor seiner Fusion mit dem SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern im kommenden Jahr noch einmal nachhaltig von seinen Fähigkeiten im „Originalzustand“ überzeugen.
Karl Georg Berg