Franz Schubert
Symphonie Nr. 8 C-Dur D944 „The Great“/Auszügen aus den Proben
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Leonard Bernstein
Franz Schuberts große Sinfonie in C-Dur gehörte zum Kernrepertoire von Leonard Bernstein, was sich auch in zwei Studioproduktionen, einmal mit seinen New Yorker Philharmonikern (Sony), später auch in einer Einspielung mit dem Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam (DG) niederschlug. Die nun bei BR Klassik vorgelegte Interpretation der C-Dur-Sinfonie wurde am 13. und 14. Juni 1987 im Kongresssaal des Deutschen Museums München live mitgeschnitten. Schon 1948 dirigierte Bernstein in München, in einer Zeit, als viele jüdische Musiker:innen durchaus verständlich von Auftritten im Nachkriegsdeutschland noch absahen. Regelmäßig dirigierte Bernstein dann in den 1980er Jahren das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Nach seiner vielbeachteten Aufnahme von Richard Wagners Tristan und Isolde 1981 war der Dirigent ab 1983 jährlich bis zu seinem Tod 1990 mit dem BR Symphonieorchester aktiv.
Dass die C-Dur-Sinfonie 1840, also zwölf Jahre nach dem Tod des Komponisten, in Leipzig doch noch uraufgeführt wurde, war auch ein Verdienst von Robert Schumann, der von Schuberts Bruder Ferdinand auf das vergessene Werk hingewiesen wurde. Er erkannte das Ungewöhnliche der Komposition, ihre Eigenart, nicht nur die zeitliche Ausdehnung der Sinfonie betreffend. Jene „himmlische Länge wie ein Jean Paul’scher Roman“ wurde sprichwörtlich. Man könnte fast von einer „epischen“ Grundidee des Werks sprechen, was sich auch in den rhythmisch-motivischen Querverbindungen niederschlägt, die das ganz Werk durchziehen. Bernstein hat dafür nie nachlassende Energie und Musizierlust, die sich hörbar auf das BR-Sinfonieorchester überträgt, dessen Bläser bei der Aufnahme wunderbar weich-geschmeidig klingen. Zudem setzt er die dramatischen Höhepunkte ebenso konsequent, wie er die musikalische Weite der Sinfonie durchmisst. Bernstein lässt nicht nur packend musizieren, er hat ein Gespür für jene „himmlische Länge“, die von seinem Orchester mit subtilem Klangfarbenspiel gefüllt wird.
Über die intensive Probenarbeit im Vorfeld der beiden Konzerte informiert eine beigefügte DVD, auf der Bernsteins Arbeit mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks dokumentiert wird. In erstaunlich gutem Deutsch motiviert er (zu den Hörnern des Beginns „wunderbar“) und verlangt dennoch noch mehr, erklärt die Einleitung zu einer „Prozession“, singt verbesserungswürdige Stellen vor. Die eigene Intensität überträgt sich bei diesem Probenmitschnitt auf das Musizieren der Orchestermitglieder. Bernstein gelingt es, ohne den Maestro herauszukehren, seine Vorstellung von der Musik Schuberts auf das Spiel der Mitglieder des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks zu übertragen.
Thomas Weiss